Windkraft 2025 – das Rückgrat der Energiewende

Deutschland und die Welt stehen inmitten einer epochalen Transformation des Energiesystems.
Wenn über erneuerbare Energien gesprochen wird, fällt schnell das Stichwort Windkraft.
Sie ist längst mehr als ein Randphänomen: Windenergie ist das am schnellsten wachsende Segment der weltweiten Stromerzeugung und hat sich als Rückgrat der deutschen Energiewende etabliert.
Dieser Beitrag beleuchtet den aktuellen Stand der Windkraft in Deutschland, analysiert globale Entwicklungen, erklärt die Technik hinter modernen Windkraftanlagen und wirft einen Blick auf Chancen und Herausforderungen für die kommenden Jahre.
Ein Markt in Bewegung – Zahlen und Fakten
Deutschland gilt als Pionier der Windenergie. Bereits in den frühen 2000er‑Jahren sorgten das Erneuerbare‑Energien‑Gesetz (EEG) und garantierte Einspeisevergütungen für einen Boom bei Windkraftinvestitionen. Heute betreibt die Bundesrepublik über 28.000 Onshore‑Turbinen mit einer installierten Leistung von rund 63 Gigawatt (GW).
2024 wurden 3,2 GW Bruttoleistung neu installiert, davon 2,5 GW netto. Die Bundesregierung peilt bis 2030 115 GW Onshore‑Kapazität an.
Onshore‑Windenergie lieferte 2024 rund 23 % des deutschen Bruttostroms und war damit erneut wichtigste Stromquelle des Landes. Die Solarenergie kam im selben Zeitraum auf 17,5 %, Kohlestrom nur noch auf 19,5 %.
Die Expansion verläuft allerdings nicht linear. 2017 markierte mit 5,3 GW Nettozuwachs ein Rekordjahr. Durch den Übergang von festen Einspeisetarifen zu einem Auktionssystem brach der Zubau 2019 auf unter 1 GW ein. Inzwischen beleben vereinfachte Genehmigungsverfahren und neue Flächen die Branche: 2024 wurden 2.405 neue Turbinen mit 14 GW Leistung genehmigt, weitere 1.890 Turbinen (11 GW) erhielten Zuschläge.
Auch Offshore‑Windkraft gewinnt an Fahrt. Zwischen Mai und September 2024 gingen 73 neue Offshore‑Turbinen in Betrieb – sie bilden die Projekte Baltic Eagle und Gode Wind. Insgesamt wurden 2024 0,7 GW neue Offshore‑Leistung installiert, sodass die Offshore‑Kapazität der deutschen Nord‑ und Ostsee 9,2 GW erreichte.
Globaler Kontext
Der weltweite Markt wächst weiterhin dynamisch: Laut Global Wind Energy Council (GWEC) wurden 2024 117 GW neue Windleistung installiert – ein Rekord.
Davon entfielen 109 GW auf Onshore‑Anlagen und 8 GW auf Offshore‑Projekte. Die globale Gesamtleistung stieg damit auf 1.136 GW.
China führte die Rangliste mit 79,8 GW neuen Kapazitäten an, gefolgt von den USA, Deutschland (4,0 GW), Indien und Brasilien. Die GWEC rechnet bis 2030 mit einem durchschnittlichen Wachstumsrate von 8,8 % und prognostiziert zusätzliche 981 GW Windleistung.
Die Rekordzahlen verdecken allerdings Unterschiede: Europa erlebte 2024 im Vergleich zu 2023 einen leichten Rückgang der Installationen, während sich die Märkte in Afrika und dem Mittleren Osten verdoppelten.
So funktioniert eine Windkraftanlage
Windkraftanlagen wandeln die kinetische Energie des Windes in elektrische Energie um. Ein Rotor mit drei Flügeln treibt über eine Welle einen Generator an. Moderne Anlagen arbeiten mit Pitch‑Regelung, bei der die Rotorblätter je nach Windstärke verstellt werden, um optimale Leistung zu erreichen und bei Sturm abzuschalten. Die wichtigsten Komponenten sind:
**Generator** – produziert Wechselstrom, der über leistungselektronische Umrichter ins Netz eingespeist wird.
- Gondel und Turm – beherbergen Technik und erlauben Ausrichtung nach dem Wind.
- Fundament – sichert die Anlage am Boden oder Meeresgrund.
Die durchschnittliche Nennleistung neuer Onshore‑Anlagen liegt bei 5–7 MW; Offshore‑Turbinen erreichen bereits 15 MW und in Pilotprojekten sogar darüber. Größer dimensionierte Rotoren sorgen für höhere Energieausbeute, aber auch für logistische Herausforderungen: Der Transport von Rotorblättern über 70 Metern Länge erfordert spezielle Schwerlastfahrzeuge und genehmigte Routen.
Aktuelle Trends und Innovationen
Skalierung und Effizienz
Die Branche setzt auf immer größere Turbinen, um den Energieertrag pro Standort zu erhöhen. Mit Rotorblättern bis 120 Metern und Türmen jenseits der 150‑Meter‑Marke können moderne Anlagen auch bei geringer Windgeschwindigkeit effizient Strom erzeugen. Direktantriebe ersetzen vermehrt konventionelle Getriebe, um Wartungskosten zu senken und die Lebensdauer zu erhöhen. Fortschritte in der Aerodynamik und Materialwissenschaft (z. B. Carbonfaser‑Verbundstoffe) ermöglichen leichtere und robustere Rotorblätter.
Schwimmende Offshore‑Plattformen
Offshore‑Windparks sind nicht mehr nur in Küstennähe möglich. Schwimmende Plattformen erlauben die Installation in tiefen Gewässern. Länder wie Norwegen, Frankreich und Portugal testen schwimmende Anlagen mit 15 MW Leistung. Die Technologie verspricht, die riesigen Windressourcen auf hoher See zu erschließen, stellt aber hohe Anforderungen an Verankerung, Sicherheit und Wartung.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz
Digitale Zwillinge und KI‑Algorithmen revolutionieren den Betrieb von Windparks. Sensoren liefern in Echtzeit Daten über Vibrationen, Windgeschwindigkeit und Lasten. Intelligente Software optimiert die Neigung der Rotorblätter, prognostiziert Störungen und verbessert die Wartungsplanung. So können Betreiber Ausfallzeiten minimieren und die Kapazitätsfaktoren erhöhen.
Speicher und Sektorkopplung
Die volatile Stromerzeugung von Wind und Sonne erfordert flexible Lösungen. Batteriespeicher und Power‑to‑X‑Technologien wie Elektrolyseure zur Herstellung von grünem Wasserstoff gewinnen an Bedeutung. Sie ermöglichen es, überschüssigen Windstrom zu speichern oder in Wärme, Gas und Mobilität zu übertragen. In Deutschland arbeitet die Politik an Ausschreibungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke als Backup, doch politische Unstimmigkeiten verzögerten das Kraftwerkssicherheitsgesetz.
Herausforderungen der Windkraft
Fluktuierende Windverhältnisse und Dunkelflaute
Windkraft ist eine intermittierende Energiequelle; die Produktion schwankt je nach Wetter. Schwachwindjahre wie 2021 senkten die Erzeugung deutlich. Im Winter liefern die Turbinen oft am meisten, während im Sommer Flauten auftreten können. Der Begriff “Dunkelflaute” beschreibt Phasen mit wenig Wind und Sonne, in denen konventionelle Kraftwerke einspringen müssen. 2024 führte eine Sommerflaute sogar dazu, dass die Windproduktion im Juli auf den niedrigsten Stand seit einem Jahr fiel.
Genehmigungen und Akzeptanz
Trotz politischer Ziele werden viele Projekte durch bürokratische Verfahren und Akzeptanzprobleme verzögert. Anwohner befürchten Lärm, Infraschall oder Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Der Ausbau der Netzinfrastruktur hinkt der Windkraft hinterher. Neue Vorgaben zur Mindestentfernung, artenschutzrechtliche Prüfung und verbindliche Bürgerbeteiligung sollen Konflikte mindern. Dennoch gibt es regionale Widerstände, insbesondere in Süddeutschland, wo der Ausbau langsamer voranschreitet als im windreichen Norden.
Rohstoffpreise und Lieferketten
Die Lieferketten der Windindustrie sind global. Stahl, Kupfer und seltene Erden für Generatoren sind Preistreibern ausgesetzt. Politische Spannungen und Handelsbarrieren können zu Lieferverzögerungen führen. Der GWEC warnt vor ideologisch motivierten Angriffen auf die Branche und vor Handelskonflikten, die Investitionssicherheit gefährden. Die Abhängigkeit von wenigen Herstellern (z. B. Siemens Gamesa, Vestas, GE) erhöht die Anfälligkeit.
Chancen und Perspektiven
Jobmotor und regionale Wertschöpfung
Die Windbranche beschäftigt in Deutschland rund 130.000 Menschen. Neue Parks schaffen Arbeitsplätze in Planung, Produktion, Bau und Wartung. Regionen mit Industriehistorie wandeln sich zu Zentren der grünen Ökonomie. Für Kommunen eröffnen sich Einnahmen durch Gewerbesteuer und Bürgerbeteiligungsmodelle.
Energieunabhängigkeit und Klimaschutz
Der russische Angriff auf die Ukraine 2022 hat gezeigt, wie verwundbar energieabhängige Staaten sind. Der Ausbau von Wind- und Solaranlagen stärkt die Energieautonomie und senkt die Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Durch den hohen Anteil erneuerbarer Energien sank der CO₂‑Ausstoß der deutschen Stromerzeugung in den ersten sieben Monaten 2024 auf ein Rekordtief von 85,3 Millionen Tonnen. Weltweit ist Wind eine der preiswertesten Energiequellen und spielt neben Solar die Hauptrolle im globalen Ausbau.
Zukünftige Politik und internationale Zusammenarbeit
Damit die Windkraft ihr Potenzial entfalten kann, müssen Planungs‑ und Genehmigungsverfahren weiter beschleunigt, Auktionsdesigns verbessert und Netzinfrastrukturen ausgebaut werden. Die GWEC empfiehlt zweifach abgesicherte Verträge (CfD), um Investoren Risiken abzunehmen. Zudem sollen Offshore‑Ausschreibungen stärker gefördert werden: 2024 wurden weltweit 56,3 GW Offshore‑Kapazität ausgeschrieben, davon 23,2 GW in Europa.
Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen jährlich mindestens 10 GW neue Windkraftleistung installiert werden. Die im Jahr 2024 erteilten Genehmigungen über fast 15 GW schaffen gute Voraussetzungen. Mit der richtigen politischen Unterstützung, innovativen Technologien und einer breiten Akzeptanz in der Bevölkerung könnte Windkraft zum Symbol für eine erfolgreiche grüne Transformation werden.
Fazit: Windkraft als Pfeiler des Tech‑Zeitgeists
Windkraft steht exemplarisch für den modernen Tech‑Zeitgeist: Sie verbindet Ingenieurskunst mit Digitalisierung, schafft Arbeitsplätze, senkt Emissionen und stärkt die Unabhängigkeit. Der Rückgang des Zubaus in einigen Jahren darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die langfristige Dynamik robust ist. Der weltweite Ausbau von 1.136 GW und Rekordinstallationen von 117 GW im Jahr 2024 zeigen, wohin die Reise geht.
Für Deutschland bietet die Windkraft die Chance, seine industrielle Kompetenz in Turbinenbau, Maschinenbau und Elektronik zu nutzen und gleichzeitig klima- und energiepolitische Ziele zu erreichen.
Wer den Wandel gestalten will, sollte jetzt die Chancen erkennen: in neuen Geschäftsmodellen (Bürgerenergie, Power‑to‑X), in der Verbindung von Windkraft und Künstlicher Intelligenz sowie in internationalen Kooperationen für Forschung und Produktion. Wind ist mehr als nur ein Lüftchen; er ist ein Motor für die Zukunft.