Indiens 100-GW-Solarboom: Wie Überkapazitäten den Markt kippen könnten

Mo, 04 Mrz 2024 – Indien hat mit 100 GW installierter Solarmodul-Kapazität einen historischen Meilenstein erreicht. Doch: Droht bis 2027 ein Überangebot? Kurzfristige Treiber wie Auktionen, ALMM-II-Regeln und massive OEM-Investitionen befeuern die Expansion. Chancen und Risiken liegen eng beieinander – von Exportträumen bis möglichen Preisstürzen. Was steckt wirklich dahinter?
Inhaltsübersicht
Einleitung
Von 100 GW zur Übersättigung: Zahlen, Treiber und Governance
Technologien und Fertigungsrealität
Szenarien und wirtschaftliche Folgen
Soziale, ökologische Folgen und rückblickende Bewertung
Fazit
Einleitung
Indien erlebt derzeit im Solarsektor eine Expansion von historischem Ausmaß. Mit 100 GW an Solarmodul-Kapazität überschreitet das Land eine Schwelle, die es nach China an die zweite Position auf der Welt setzt. Doch der schnelle Zubau, angetrieben durch staatliche Auktionen, Investitionsanreize und Förderregeln, birgt auch Schattenseiten. Schon jetzt warnen Analysten vor einem massiven Überangebot bis 2027, das Preise einbrechen lassen und die Industrie destabilisieren könnte. Die Debatte um Wertschöpfungstiefe, fehlende Polysiliziumkapazitäten und die Rolle der ALMM-II-Regulierung verbindet ökologische, technologische und ökonomische Dimensionen. Was bedeutet das konkret für Hersteller, Investoren, Banken und die Bevölkerung Indiens? Der folgende Artikel liefert eine faktenbasierte Bestandsaufnahme, stellt Szenarien vor und analysiert die möglichen Gewinner und Verlierer dieses rasanten Wandels.
Von 100 GW zur Übersättigung: Zahlen, Treiber und Governance
Stand: August 2025. Indien hat einen Meilenstein erreicht: Die offiziell installierte Solarmodul-Kapazität beträgt jetzt 100 GW – ein Wert, der sowohl durch das Ministry of New and Renewable Energy (MNRE) als auch durch die Central Electricity Authority (CEA) belegt ist. Diese Kapazität entspricht etwa der Hälfte des gesamten europäischen Photovoltaik-Bedarfs und ist ein Musterbeispiel rasanter Industrialisierung im Bereich erneuerbare Energien Indien India Achieves Historic Milestone of 100 GW Solar Power Capacity
, PIB.
Wie 100 GW möglich wurden: Treiber und Risiken bis 2027
Getrieben wurde der Solarboom durch großvolumige staatliche Ausschreibungen, einen steilen Anstieg von Investitionen heimischer Original Equipment Manufacturer (OEM) und nicht zuletzt das ALMM-II-Regelwerk (Approved List of Models and Manufacturers), das seit 2022 die heimische Modulherstellung systematisch bevorzugt. Die ALMM-II-Anforderungen zwingen Projektentwickler dazu, indische Hersteller zu listen und bevorzugt zu beauftragen Current Notices
, MNRE. Im Kalenderjahr 2024 allein wurden Module mit einer Kapazität von über 24 GW installiert oder beauftragt.
Die Konsequenz: Die Fertigungs-Pipeline wächst schneller als der tatsächliche Ausbau. Laut CEA-LGBR 2024/25 werden in den kommenden zwei Jahren bis zu 120 GW Modulkapazität projektiert und genehmigt – weit über dem jährlichen Zubautempo von durchschnittlich 18–20 GW LOAD GENERATION BALANCE REPORT 2024-25
, CEA. Überkapazitäten drohen damit spätestens 2027, wenn die Nachfrage erstmals stagniert.
Status der Wertschöpfungskette und Governance
In der Kette Polysilizium → Wafer → Zelle → Modul findet die Produktion überwiegend inländisch auf der Modulseite und zunehmend auch bei Solarzellen statt. Per Juli 2025 listet ALMM-II rund 100 GW Modul- und erstmals 15 GW Zellkapazität mit homegrown-Anteil India Achieves Historic Milestone of 100 GW Solar PV Module Manufacturing Capacity under ALMM
, MNRE. Die Auslastung schwankt aber: Viele große Hersteller fahren unter 70 % ihrer maximalen Kapazität. Bis Ende 2027 sind laut Bau- und Investorenlisten über 130 GW an Modulprojekten auf dem Papier – überwiegend im Westen (Gujarat, Rajasthan) Report on Under Construction and Under Development Projects all Across the Country – June 2024
, CEA.
Wer steuert Angebot & Nachfrage?
Kernentscheidungen über Angebot und Abnahmemarkt trifft das MNRE – flankiert von der CEA und staatlichen Energiebehörden. Der Schlüsselhebel: ALMM-II, flankiert von Importzöllen (bis zu 40 % auf chinesische Module) und selektiven Förderprämien. Die Aufnahme in die ALMM-Listen I/II wird nach strengen Testzertifikaten, regelmäßigen Audits und Standortinspektionen vergeben APPROVED LIST OF MODELS AND MANUFACTURERS (ALMM)
, MNRE.
Der Ausblick: Das nächste Kapitel widmet sich den technologischen Entwicklungen zwischen mono PERC, TOPCon und der Frage, ob Produktionstiefe künftig Engpass oder Vorteil ist.
Technologien und Fertigungsrealität: Was Indiens Solarboom faktisch begrenzt
Stand: April 2025. Indien Solar steht vor einer doppelten Herausforderung: Während die Solarmodul Kapazität rapide wächst, fehlt vielerorts die Tiefe in der Wertschöpfung. Mono-PERC bleibt die Basis im Markt, doch TOPCon und bifacial-Module holen schnell auf – laut Analysten könnten TOPCon-Module schon bis Ende 2024 die Hälfte aller neuen indischen PV-Anlagen ausmachen TOPCon module production hits cells bottleneck
, PV Magazine India. Doch Engpässe bei Zellfertigung und Waferimporten könnten diesen Boom schnell abbremsen.
Technologietrends und Abhängigkeiten
Indiens Solarmodul Kapazität profitiert derzeit von staatlicher Industrieförderung, doch die Zell- und Waferproduktion hängt weiter an globalen Lieferketten. Während Programme wie DCR und PLI Investitionen in Fabriken fördern, bleibt der Upstream-Bereich – vor allem Wafer und Polysilizium – stark importabhängig. Branchenberichte dokumentieren, dass trotz wachsender Modulproduktion die Mehrheit der Zellen und fast alle Wafer weiterhin aus Asien importiert werden India’s solar energy imports decline by 20% and 57% in first eight months of 2024-25
, Economic Times.
Qualitätsprüfungen: NABL und IEC als Gatekeeper
Ob Module auch wirklich verkaufsfähig sind, entscheidet sich im Labor. Inländische Hersteller müssen NABL-akkreditierte Prüfinstitute und die strengen Normen nach BIS und IEC 61215 erfüllen. Hier werden Module auf Leistung, Alterungsbeständigkeit sowie Schadensresistenz (z. B. durch Dampfwärme, UV) getestet Waaree Energies secures NABL accreditation for advanced testing lab – pv magazine India
, PV Magazine India. TOPCon-Module zeigen zwar auf dem Papier hohe Effizienz, berichten aber im Feld bei Feuchtigkeitstests teils höhere Degradationen als mono-PERC-Standards. Fallstricke lauern: Wer die Prüfprotokolle nicht sauber einhält, sitzt am Ende auf Beständen ohne Marktzugang.
- Mono-PERC: Industrie-Standard mit robusten Lieferketten, moderate Wirkungsgrade
- TOPCon: Effizienter, aber anspruchsvoller in Tests und empfindlich für Zellqualitätsmängel
- Bifacial: Wachsendes Segment, nutzbar bei geeigneten Standorten mit Reflexionsvorteil
Ein Schlüsseltrend: NABL-Labore und das National Institute of Solar Energy schließen Qualitätslücken und erhöhen die Transparenz für Endkunden National Institute of Solar Energy
, NISE.
Mit dem Blick nach vorn zeigt sich: Wer heute in Indien Solar zukünftig Marktführer werden will, muss nicht nur auf Top-Technologie, sondern auch auf solide Prüfprotokolle und sichere Zulieferketten setzen. Das ist entscheidend, wenn Solar Überkapazität und ALMM-II die Spreu vom Weizen trennen.
Nächstes Kapitel: Szenarien und wirtschaftliche Folgen.
Szenarien und wirtschaftliche Folgen: Zwischen Wachstum, Überangebot und Finanzrisiken
Stand: August 2025. Indien Solar ist am Scheideweg: Die Solarmodul Kapazität steigt weiter, während regulatorische Weichen wie ALMM-II das Marktgleichgewicht verschieben. Die kommenden fünf Jahre könnten den Sektor grundlegend verändern – mit Gewinnern und Verlierern. Drei Szenarien prägen die Prognosen.
Starkes Wachstum und der nationale Schub
Beflügelt von der verpflichtenden ALMM-II-Liste für Solarzellen (ab 1. Juni 2026) wächst die heimische Produktion. Nun dürfen für öffentliche und geförderte Projekte nur noch Module aus ALMM-List-I und Zellen aus List-II verbaut werden APPROVED LIST OF MODELS AND MANUFACTURERS (ALMM)
, MNRE. Das bringt Investments zu großen Herstellern und zu regionalen Hubs wie Gujarat, wo neue Zell- und Modulfabriken entstehen. Doch der Hochlauf kostet Milliarden – Liquidität und Zugang zu Kapital entscheiden über die Marktführer Amendment to ALMM Order for Implementation of ALMM for Solar PV cells (O.M. 9 Dec 2024)
, MNRE.
Exportchancen und ihre Grenzen
Einige Unternehmen wollen das Überangebot per Export auffangen. Doch Exportmärkte stellen eigene Anforderungen hinsichtlich Zertifizierung, Preis und Zollfreiheit. Vor allem Hersteller mit skalierbarer Technologie und finanziellem Polster profitieren. Kleinere Produzenten geraten ins Hintertreffen, sobald Compliance-Kosten die Margen belasten ALMM LIST-II for Solar PV Cells – dated 31.07.2025
, MNRE. Regionen ohne Anbindung an große Seehäfen (z. B. Teile Tamil Nadus) sehen Nachteile beim Export und in der Logistik.
Preisverfall und finanzielle Spannungen
Sollte der erwartete Ausbau der Nachfrage ab 2027 stagnieren, droht eine Solar Überkapazität. Preisdruck entsteht, Margen kollabieren – selbst für Branchenführer. Banken und Investoren sind dann extrem exponiert: Non-Performing Loans (NPLs) wachsen, Wertberichtigungen drücken auf die Bilanzen ALMM for Solar PV Cells – S3waas (PDF) – 28.07.2025
, MNRE. Besonders riskant: Hohes Fremdkapital bei aggressiven Herstellern und wenig diversifizierte Anlegerstrukturen.
Das nächste Kapitel beleuchtet, welche sozialen und ökologischen Folgen aus dem Boom und der Gefahr einer Überproduktion für Indien Solar erwachsen – von Arbeitsplatzrisiken bis zur Kreislaufwirtschaft.
Soziale, ökologische Folgen und rückblickende Bewertung
Stand: April 2025. Indien Solar steht vor einer doppelten Herausforderung: Während die Solarmodul Kapazität ein Allzeithoch erreicht, drohen bei Überangebot dramatische soziale und ökologische Nebenwirkungen. Prognosen schätzen, dass bis 2030 rund 600 Kilotonnen (kt) PV-Modulabfall entstehen – ein Wert, der bis 2050 auf 19 Millionen Tonnen steigen könnte Indias cumulative solar PV waste to reach 19000 kilotonnes by 2050
, PV Magazine India.
Jobverluste, Deindustrialisierung, chemische Risiken
Überstiegene Ausbauziele bei Indien Solar können teuere Jobverluste erzeugen: Sinkende Auslastungsgrade führen zu Schließungen in Regionen wie Gujarat oder Tamil Nadu, wo die Industrie stark konzentriert ist Annual Solar Installations: India Adds 24.5 GW in 2024
, JMK Research. Gleichzeitig droht Deindustrialisierung, sollte eine Konsolidierungswelle kleinere Hersteller vom Markt drängen. Der steigende Abfallstrom erhöht zudem das Risiko nicht sachgemäßer Entsorgung toxischer Stoffströme (Blei, Cadmium), da Indiens Recyclingkapazität selbst 2025 noch im Pilotstadium steckt: Laut CEEW gibt es bisher keine Anlagen zur Deckung des absehbaren Volumens; EPR-Vorgaben und Rücknahmesysteme sind erst im Aufbau How can India enable circular economy with solar waste management disposal
, CEEW.
Widerspruch Export vs. Zertifizierung und Handelsbarrieren
Befürworter von Kapazitätsausbau argumentieren mit Energiesouveränität und globalem Marktzugang. Tatsächlich exportierte Indien 2024 PV-Module im Wert von 2 Mrd. US$ – über 90 % davon in die USA Indian Solar PV Exports Surging
, IEEFA. Doch zentrale Exportargumente werden durch fehlende internationale Zertifizierungen und neue Handelsbarrieren ausgebremst. Problematisch: AD/CVD-Untersuchungen gegen den asiatischen Raum gefährden die Stabilität indischer Exporte, und EU-/US-Märkte setzen künftig noch höhere Nachhaltigkeitskriterien.
Fünf Jahre zurück: Mögliche Fehlsteuerungen und Alternativen
Klar messbare Warnindikatoren für eine strategische Fehleinschätzung bei Indien Solar wären: sinkende Kapazitätsauslastung (<70 %), fallende Modulpreise, wachsende Herstellerinsolvenzen und eine Zunahme an Bestandsmodulabfall. Rückblickend wären gezielter Ausbau der Zell- und Waferproduktion, striktere Exportförderung statt Pauschalausbau sowie der frühzeitige Aufbau verpflichtender Recyclingquoten und Zertifizierungssysteme wirtschaftlich und ökologisch tragfähiger gewesen Best-Ever Year for Solar as India Adds 25 GW Capacity in 2024
, Mercom India.
Fazit
Indien steht an einer Wegscheide seines Solarbooms: Der Sprung zu 100 GW Modulfertigung ist beeindruckend, doch er birgt die Gefahr eines Überangebots und massiver Marktverwerfungen bis Ende der Dekade. Ob Technologieaufstieg, Exporte und Recyclingstrukturen rechtzeitig greifen, entscheidet darüber, ob sich Indien als nachhaltiger Technologiestandort etabliert oder eine Industrielandschaft entsteht, die binnen zehn Jahren wieder zerfällt. Die nächsten Jahre werden der Belastungstest für Industriepolitik, Finanzierer und regionale Arbeitnehmer gleichermaßen.
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Quellen
India Achieves Historic Milestone of 100 GW Solar Power Capacity
Report on Under Construction and Under Development Projects all Across the Country – June 2024
LOAD GENERATION BALANCE REPORT 2024-25
Current Notices
India Achieves Historic Milestone of 100 GW Solar PV Module Manufacturing Capacity under ALMM
APPROVED LIST OF MODELS AND MANUFACTURERS (ALMM)
TOPCon module production hits cells bottleneck – pv magazine India
India’s solar energy imports decline by 20% and 57% in first eight months of 2024-25
Waaree Energies secures NABL accreditation for advanced testing lab – pv magazine India
National Institute of Solar Energy
APPROVED LIST OF MODELS AND MANUFACTURERS (ALMM)
ALMM LIST-II for Solar PV Cells – dated 31.07.2025
ALMM for Solar PV Cells – S3waas (PDF) – 28.07.2025
Amendment to ALMM Order for Implementation of ALMM for Solar PV cells (O.M. 9 Dec 2024)
Indias cumulative solar PV waste to reach 19000 kilotonnes by 2050
Annual Solar Installations: India Adds 24.5 GW in 2024
How can India enable circular economy with solar waste management disposal
Indian Solar PV Exports Surging
Best-Ever Year for Solar as India Adds 25 GW Capacity in 2024
Hinweis: Für diesen Beitrag wurden KI-gestützte Recherche- und Editortools sowie aktuelle Webquellen genutzt. Alle Angaben nach bestem Wissen, Stand: 8/25/2025