Dunkelflaute vs. Datenhunger: Wie Deutschland Europas Stromnetz stabil hält

Stromnetz stabil trotz Dunkelflaute und KI-Boom: Szenarien, Kosten, Netzausbau, Speicher und Regeln – klar erklärt. Jetzt verstehen, was bis 2035 zählt.

Zuletzt aktualisiert: 15. September 2025

Kurzfassung

Wie bleibt das Stromsystem stabil, wenn Dunkelflaute und der Datenhunger neuer KI‑Rechenzentren zugleich zunehmen? Dieser Artikel ordnet Europas Optionen ein – mit Blick auf Netzausbau (AC/HGÜ), Stromspeicher, grenzüberschreitender Stromhandel und smarte Flexibilität. Er vergleicht Deutschlands Rolle im europäischen Verbund und zeigt, welche Regeln jetzt wirken. Die Analyse stützt sich auf Szenarien und Daten aus ENTSO‑E, dem Netzentwicklungsplan sowie amtlichen Marktberichten und Energy‑Charts.


Einleitung

Wenn Wind und Sonne gleichzeitig schwächeln, steigt die Last im Netz oft dort, wo Rechenzentren boomen. Genau dann muss der europäische Verbund liefern. Szenarien der europäischen Übertragungsnetzbetreiber setzen einen klaren Bezugspunkt: Viele Analysen betrachten den Zeithorizont „2035“ als entscheidenden Zwischenstopp auf dem Weg zu den Klimazielen (Quelle). Für Deutschland heißt das: Wir denken Stabilität nicht mehr national, sondern systemisch – über Schnittstellen, Speicher und Regeln hinweg. In diesem Leitfaden bekommst du einen verständlichen Überblick, was bis dahin zählt, warum internationale Koordination unverzichtbar ist und wie Politik und Unternehmen pragmatisch Tempo machen.


Ausgangslage 2035: Nachfrage, Dunkelflaute-Risiken und der Stromhunger der KI

Dunkelflaute beschreibt mehrtägige Phasen, in denen Wind und Sonne kaum Strom liefern – genau dann, wenn die Nachfrage nicht warten kann. Europa begegnet diesem Risiko mit verbesserter Vorhersage, regional gestreuter Erzeugung und dem Verbundnetz. Die europäischen Szenarien unterscheiden dabei zwischen stärker dezentralen und zentralen Pfaden: ENTS O‑E modelliert mit „National Trends+“, „Distributed Energy“ und „Global Ambition“ mehrere plausible Wege und hebt den steigenden Flexibilitätsbedarf hervor (Quelle). Für Leser:innen heißt das: Nicht eine Technologie rettet das Netz, sondern das Miteinander von Netzausbau, Speichern, Flexibilität und Handel.

Parallel wächst die Nachfrage durch digitale Infrastrukturen. Besonders sichtbar: große KI‑Rechenzentren mit punktuellen, hohen Anschlussleistungen. Deutschland verfügte laut Regierungsanalyse im Jahr „2024“ über rund 2.730 MW installierte IT‑Leistung in Rechenzentren; für „2030“ werden etwa 4.850 MW erwartet (Quelle). Das ist nicht nur eine Zahlenspielerei: Solche Leistungsblöcke konzentrieren Lasten auf wenigen Knoten – etwa in bestehenden Clustern – und verlangen vorausschauende Netzplanung plus klare Standortregeln.

Auch der Stromverbrauch dieser Branche steigt. Für „2030“ rechnet die Regierungsanalyse mit rund 31 TWh Jahresstrombedarf für Rechenzentren, gegenüber etwa 20 TWh in „2024“ (Quelle). Wichtig: Es geht nicht allein um die Summe, sondern um Profile. Wenn KI‑Jobs nachts laufen können, entlastet das den Tag. Wenn Lasten kurzfristig steuerbar sind, helfen sie, Dunkelflauten glatter zu überbrücken.

Deutschland bleibt dabei eingebettet in Europas Netz. Die ENTSO‑E‑Storyline nutzt „2035“ als Referenzhorizont, um Netzimpakte, Flexibilität und Infrastrukturprioritäten vergleichbar zu machen (Quelle). Genau hier liegt unsere Chance: Lastwachstum klug lenken, damit Netzausbau, Speicher und grenzüberschreitender Handel zusammenspielen – statt gegeneinander zu arbeiten.

Deutschland vs. Europa: Netzausbau, Speicher, Flexibilität und Stromhandel in Szenarien

Was heißt europäisches Denken ganz konkret? In „Distributed Energy“ verschiebt sich mehr Intelligenz in die Fläche: Batteriespeicher, Wärmepumpen, lokale Flexibilität. In „Global Ambition“ wachsen grenzüberschreitende Korridore, oft als HGÜ‑Achsen, ergänzt durch Großspeicher. Alle Pfade gehen von deutlich steigenden Flexibilitätsanforderungen aus; der Mix aus Verteilnetz‑Digitalisierung, Übertragungsnetzausbau und Speichern variiert je nach Pfad (Quelle). Für Deutschland ist die Lehre: Beides parallel vorbereiten – und Engpässe dort lösen, wo sie volkswirtschaftlich am meisten kosten.

Beim Netzausbau liefert der nationale Plan die Richtschnur – und braucht zugleich ein Update. Der Netzentwicklungsplan Strom „2035“ (Version „2021“) wurde nach Konsultation am 14.01.2022 bestätigt; die Projektlisten bilden den damaligen Wissensstand ab (Quelle). Was seitdem passierte: Neue Rechenzentrumswellen, andere Erzeugungsprofile, zusätzliche Flex‑Optionen. Ergebnis: Die Prioritäten gehören regelmäßig gespiegelt mit den europäischen Szenarien, damit die deutschen Projekte exakt zu den Nachbarn passen.

Speicher bleiben das Rückgrat in Dunkelflauten – kurz und lang. Kurzfristig puffern Batterien Minuten bis Stunden; saisonal können synthetische Gase und Wasserstoff helfen. Handel stabilisiert die Ränder: Wenn bei uns Flaute ist, weht oft irgendwo Wind. Die ENTSO‑E‑Storyline betont, dass räumliche Muster der Erzeugung je nach Pfad stark abweichen – und damit der Bedarf an Interkonnektoren und Systemdiensten (Quelle). Für Betreiber lohnt es, Flexibilität als Geschäftsmodell zu denken: Von Demand Response bis zur Teilnahme am Regelenergiemarkt.

Und die Rechenzentren? Sie können Teil der Lösung sein. Die Regierungsanalyse beziffert einen wachsenden Bedarf und hebt die Bedeutung von Effizienz‑Kennzahlen (wie PUE) und Flexibilität hervor (Quelle). Heißt: Wer große Anschlussleistungen beantragt, sollte verbindlich Lastverschiebung, Notstrom‑Einspeisung und Abwärmenutzung mitplanen. So wird der Datenhunger zum Stabilitätsfaktor – nicht zum Risiko.

Was bremst Stabilität? Engpässe, Preissignale, Regulierung und systemische Kosten

Der größte Gegner eines erneuerbaren Systems sind nicht die Technologien, sondern Zeit und Koordination. Genehmigungen dauern, Kapazitäten sind knapp, Baustellen konkurrieren um Personal. Im Betrieb treffen volatile Einspeisung und konzentrierte Lasten auf zu träge Preissignale. Was fehlt, sind klare, verlässliche Rahmen: Wo sich Investitionen in Flexibilität lohnen, fließt Kapital auch dorthin.

Europaweit gilt: Ohne robuste Interkonnektoren steigen Kosten und Risiken in Dunkelflauten. ENTS O‑E beschreibt, wie die Wahl des Pfades (dezentral vs. zentral) die Netzlasten verschiebt und welche Systemdienste entsprechend zu stärken sind (Quelle). Das heißt: Marktdesign und Regulierung müssen Anreize setzen, damit Investoren dort bauen, wo ihr Beitrag das Gesamtsystem entlastet – grenzüberschreitend gedacht.

In Deutschland ist die Planungssicherheit der rote Faden. Der bestätigte Netzentwicklungsplan für „2035“ entstand auf Basis des Wissensstands „2021/2022“ und muss mit heutigen Last‑ und Erzeugungsbildern abgeglichen werden (Quelle). Für Rechenzentren steigen die Anforderungen: Standortdialoge, Netzverträglichkeitsprüfungen, Abwärme‑Konzepte. Wer früh Transparenz schafft, beschleunigt die eigene Realisierung – und senkt systemische Kosten.

Schließlich die Datenqualität: Die Regierungsanalyse weist auf Lücken bei standardisierten Kennzahlen (IT‑Auslastung, Lastprofile) hin, was die Netzplanung erschwert (Quelle). Ein öffentliches Register mit Mindestangaben würde hier Wunder wirken. Kombiniert mit Energy‑Charts und europäischen Szenarien entsteht daraus ein Lagebild, das Investitionen steuert – nicht umgekehrt.

Fahrplan bis 2035: 10 konkrete Hebel für Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit

Du willst wissen, was jetzt wirkt? Hier sind zehn Hebel, die pragmatisch umsetzbar sind – und Europa‑kompatibel bleiben.

  1. NEP mit EU‑Szenarien spiegeln: Den deutschen Netzentwicklungsplan „2035“ (Basis „2021/2022“) regelmäßig mit ENTSO‑E‑Storylines abgleichen, um Prioritäten nachzuschärfen (Quelle) (Quelle).
  2. Flexibilität vergüten: Marktsignale für Demand Response und Speicher stärken – passend zu den in ENTSO‑E skizzierten Flexibilitätsanforderungen (Quelle).
  3. HGÜ‑Korridore priorisieren: Grenzüberschreitende Achsen dort beschleunigen, wo sie Systemdienste und Handel maximal verbessern (Quelle).
  4. Rechenzentren als flexible Lasten: Neue Großanschlüsse an Lastverschiebung, Notstrom‑Einspeisung und Abwärmenutzung koppeln – im Einklang mit Regierungsanalysen zur wachsenden IT‑Leistung und zum Energiebedarf (Quelle).
  5. Datenbasis heben: Öffentliches Register für Rechenzentren mit Mindestkennzahlen (z. B. Anschlussleistung, Jahresverbrauch, Lastprofile) schaffen, um Netzplanung zu präzisieren (Quelle).
  6. Verteilnetze digitalisieren: Ortsnetz‑Automatisierung, Messdaten und Engpass‑Management ausbauen, damit lokale Erzeugung/Lasten steuerbar werden.
  7. Speicher trichtern: Kurzfristig Batteriespeicher für Minuten‑ bis Stundenbedarf, mittel‑ bis langfristig chemische Speicher für saisonale Lücken – technisch offen und marktbasiert.
  8. Europäische Koordination stärken: TSO‑DSO‑Schnittstellen vereinheitlichen, Planungsdaten teilen, Engpass‑Management grenzüberschreitend denken.
  9. Genehmigungen bündeln: Einheitliche Verfahren, feste Fristen, digitale Dossiers – was den Netzausbau beschleunigt, spart Kosten für alle.
  10. Transparenz für Preise/Signale: Intraday‑ und Kapazitätsmärkte so schärfen, dass Flex‑Angebote auch tatsächlich abgeholt werden.

Diese Liste verbindet nationale Planung mit europäischer Weitsicht. So lassen sich Dunkelflauten abfedern, ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren – selbst wenn der Datenhunger weiter wächst.


Fazit

Stabilität entsteht aus Teamwork: Netze, Speicher, Flexibilität und Regeln. Europas Szenarien liefern den gemeinsamen Takt, der deutsche Netzentwicklungsplan die Projektliste – und Rechenzentren werden vom Problem zur Lösung, wenn sie ihre Flexibilität ins System bringen. Wer jetzt Datenlücken schließt, Prioritäten mit Europa synchronisiert und Planung beschleunigt, macht das Netz fit für Dunkelflauten und den KI‑Boom.


Diskutiere mit: Welche Maßnahme wirkt in deiner Region am stärksten – Netzausbau, Speicher oder Flexibilität? Teile Beispiele und Fragen in den Kommentaren!

Artisan Baumeister

Mentor, Creator und Blogger aus Leidenschaft.

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