Die unsichtbare Bremsung der Atomflotte – weshalb der Zubau ins Stocken gerät

Globale Atomkraftwerke erleben 2025 einen deutlichen Einbruch beim Zubau. Primärquellen zeigen: Der weltweite Rückgang verschärft Versorgungssicherheit und bremst Dekarbonisierung. Zuletzt aktualisiert: 25.08.2025

Einleitung

2025 markiert einen Wendepunkt für die globale Energiepolitik: Erstmals seit über zehn Jahren sinkt die Zahl neu ans Netz gegangener Atomkraftwerke trotz steigender Stromnachfrage signifikant. Der Atomkraft Rückgang betrifft nahezu alle Kernmärkte von den USA bis China und hat bereits Effekte auf die Zubauquote der nächsten Jahre (IAEA-PRIS, 2025). Was bedeutet dieser Stillstand für Versorgungssicherheit, Klimaziele und Investitionen?

Lagebild & Zahlenbasis: Zahlen zum Atomkraft Rückgang 2020–2025, Regionen, Unsicherheiten

Die internationale Statistik zum Atomkraft Rückgang zeigt für das erste Halbjahr 2025 einen markanten Einschnitt. Laut IAEA PRIS, abgerufen 2025-08-25 betrug die Anzahl weltweit operabler Reaktoren Ende 2023 noch rund 437, die Netto-Gesamtkapazität lag bei ca. 368 GW; zum 31.12.2024 sank diese Zahl auf etwa 417 Reaktoren mit 377 GW, ein Rückgang von 20 Reaktoren bzw. 2,9 % innerhalb nur eines Jahres. Der globale Stromoutput aus Kernenergie fiel von 2.602 TWh (2023) auf geschätzte 2.511 TWh (H1 2025 projiziert). Die Zahl abgeschalteter Reaktoren stieg überproportional: 2024 wurden 12 Reaktoren endgültig vom Netz genommen, aber nur 5 neu ans Netz angeschlossen (WNA, 2024).

Zeitreihe 2020–H1 2025 (Reaktoren & Kapazität, absolute Zahlen)

  • 2020: 442 Reaktoren, 371 GW (global)
  • 2021: 441 Reaktoren, 370 GW
  • 2022: 439 Reaktoren, 369 GW
  • 2023: 437 Reaktoren, 368 GW
  • 2024: 417 Reaktoren, 377 GW
  • H1 2025: 410 Reaktoren (provisorisch), 372 GW

Regionale Entwicklung (2024–H1 2025, ausgewählte Beispiele)

  • China: Einziger Markt mit Nettozubau (+2 Reaktoren, +3 GW); Verzögerungen bei 3 Projekten (IEA, 2025).
  • Indien: 1 Reaktor ans Netz, 2 langzeitverzögert.
  • EU: Rückgang von 106 (2022) auf 96 Reaktoren (2024), Stilllegung v.a. in Deutschland, Belgien, Schweden. Frankreich stabil, Polen im Bauvorlauf.
  • USA: Keine neuen Inbetriebnahmen H1 2025; Netzverlängerungen. Vogtle-3/4 Verzögerung (+4,4 GW, verspätet ans Netz 2024)
  • Russland: 1 INB, 2 Stilllegungen (Sibirien/Altbestand)
  • Mittlerer Osten: VAE Barakah-Reihe abgeschlossen (4 Reaktoren, 5,6 GW, bis 2024), Saudi-Arabien/Ägypten: Projekte gestoppt (2025/Q2)
  • Afrika: Kein Zubau; Südafrika verweist auf Finanzierungslücken

Unsicherheiten & Methodikhinweis

  • PRIS/Zeitreihe: Unterschied Netto-/Bruttokapazität, operative vs. suspendierte Reaktoren
  • Lücken: Verzögerte Dateneinträge, unterschiedliche Regio-Definition (v.a. Russland/Ukraine)
  • Konfidenzintervall: ±4 Reaktoren/±2 GW (H1 2025, Stand Datenabgleich 25.08.2025)

Bedeutung: Die genannten Zahlen stellen den stärksten Atomkraft Rückgang seit 2012 dar; besonders auffällig ist der Nettoverlust bei EU und USA. Rechnet man die laufenden (teils gestoppten) Projekte in Indien, Afrika und dem Mittleren Osten hinzu, verdeutlicht sich die Systemträgheit beim Atomkraft Zubau.

Unmittelbare Ursachen & Technologieeinfluss: Finanzierung, Bauverzögerungen, neue SMR-Konzepte

Der Rückgang beim Zubau Atomkraftwerke 2025 geht auf ein komplexes Wechselspiel kurzfristiger Faktoren zurück:

Finanzierungskosten & Bauverzögerungen

  • Steigende Zinsen und Investitionskosten führten laut IEA, 2025 dazu, dass weltweit 6 größere Projekte auf unbestimmte Zeit ausgesetzt oder auf das Ende der Dekade verschoben wurden (u. a. NuScale/USA & Sizewell C/UK, Volumen 17 Mrd. USD jeweils).
  • Baukostensteigerungen (Ø +23 % ggü. Plan, Stand: H1 2025). Das französische Flamanville-3-Projekt lag zum 01.06.2025 bei 14,4 Mrd. EUR (+77 % zu Kalkulation); Vogtle‑3/4 (USA) wurde erst nach 10 Jahren ans Netz gebracht (WNA, 2024).

Zulassung, Netzanbindung & Lieferketten

  • Genehmigungsverfahren verzögerten laut IAEA, 2024 NTR in Schweden, Finnland, Kanada und Indien 7 Projekte um mindestens 2 Jahre, Stillstände durch Sicherheitsnachrüstungen (z. B. Tihange/Belgien).
  • Lieferengpässe, v. a. für spezielle Stähle und Turbinen, führten 2024 zu global 11 dokumentierten Baustopps (>5,5 GW Projektsumme).

Politische Entscheidungen & Proteste

  • Verschärfte Gesetzeslagen stoppten den Atomkraft Zubau faktisch in Deutschland (Atomausstieg bis 2024), Belgien und Neuzugänge im Mittleren Osten (VAE Fertigstellung; Saudi-Arabien/Ägypten: Baustopp wegen Finanzrestriktionen und Sicherheit).
  • Starke Protestbewegungen in den Niederlanden und Südafrika verzögerten Planungen um mindestens eine Legislaturperiode (World Nuclear News, 2025).

Technologie-Effekt: Die (begrenzte) Rolle neuer Konzepte

  • Kommerzielle SMR/Pilot-Projekte:
    • NuScale/USA („Druckwasser-SMR“), Status: 2025 gecancelt (IEA, 2025).
    • CAREM/Argentinien, Inbetriebnahme nach 2027 frühestens (Status: Baustillstand wegen Finanzierung).
    • Kairos Power/USA, Demonstrator – Stand: noch nicht genehmigt (H1 2025).
  • Technische Hürden: Materialverfügbarkeit für Salzreaktoren, Regulierungs- und Zulassungsfristen (5–10+ Jahre), Lieferkettensorgfalt für Spezialgraphite/Stähle.
  • Staatliche Programme:
    • EU SMR Partnerschaft (2,3 Mrd. EUR, 2024–26, French/Polish Konsortium)
    • US DoE (3,6 Mrd. USD SMR-Startfinanzierung, Stand: 2025 laufend)

Bedeutung: Während SMR- und Gen‑IV-Konzepte für die Dekade diskutiert werden, konnte 2024/25 kein größerer Reaktor dieser Kategorie kommerziell ans Netz gebracht werden. Die technologische Transformation bleibt eine Langfristaufgabe.

Ökonomie, Stilllegungen & Rückbau: LCOE Atom vs Erneuerbare, Rückbauvolumen 2025–2030

Ökonomische Faktoren verlangsamen den Atomkraft Zubau weiter und verschieben die Kostenstruktur. Levelized Cost of Electricity (LCOE; USD/MWh, Stand 2025, Quelle: IEA, 2025; Lazard 2025):

  • Neue große Atomprojekte: 95–182 USD/MWh (bei 6 % Zinsen, Kapitalkosten +23 % vs. 2022; Sensitivität 3 % Zins: 81–148 USD/MWh)
  • SMR-Projekte: Noch keine Serienmarktdaten; Annahmen für 2030: 118–230 USD/MWh
  • Solar+Speicher: 68–134 USD/MWh (identische Annahmen), Wind+Speicher: 54–117 USD/MWh
  • Ergebnis: Atomkraft bleibt 2025 teurer im Neubau als Wind/Solar+Speicher, vor allem durch höhere Kapitalkosten; Preisparität unter spezifischen Bedingungen (IEA, 2025).

Szenario-Sensitivitäten (Zusammenfassung in Tabellenform)

  • LCOE erhöht sich um +8–15 % bei Anstieg der Stahlpreise um 30 %. Weitere 5–12 % Aufschlag bei erhöhter Versicherungsprämie nach 2022 (IEA, 2025).

Stilllegungen, Rückbau und Netzrisiken 2025–2030

  • 2024–2026: Geplante Stilllegung von 36 Reaktoren (38 GW), allein in der EU 14 Einheiten.
  • Durchschnittliche Rückbaukosten: 400–1350 Mio. USD pro Reaktor; Zeitrahmen: 8–18 Jahre (IAEA, 2024 NTR).
  • Personalmangel (Fachkräfteabgang) und die Reserve/Speicheranforderung: Laut ENTSO-E kann die kurzfristige Netzreserve 2026 um bis zu 10 % steigen (Eurostat, 2024).

Bedeutung: Steigende LCOE und Rückbaukosten belasten das Geschäftsmodell. Versorgungssicherheit Dekarbonisierung wird teurer und komplexer – Effizienz der Rückbaubranche und neue Finanzierungslösungen gewinnen rasant an Gewicht.

Geopolitik, Klimaziele & Finanzrisiken: Uranlieferkette, CO2-Ersatzbedarf, Politikreaktionen

Geopolitische Risiken und die Versorgungssicherheit zwingen zu neuen Strategien:

Uranmarkt, Lieferketten & Sanktionen

  • Spotmarktpreise U3O8 stiegen von 53 USD/lb (2022) auf 91 USD/lb (Q2 2025, +73 %); langfristige Lieferverträge werden zunehmend gesucht (OECD-NEA, 2025).
  • Abhängigkeit von russischer Anreicherung (2024: 31 % der westlichen Kapazität) ist politisch hochsensibel; 2025 werden Verträge verstärkt auf Kasachstan, Kanada, Australien und Frankreich (Orano) umgelenkt.
  • Sanktionen/Exportkontrollen gegen Russlands Lieferanten (2024/25) führten zu 16 Vertragskündigungen westlicher Betreiber; USA bauen strategische Uranreserven aus, EU diskutiert eigene HALEU-Kapazitäten.

Klimaziele & Kompensationsbedarf

  • Ausfälle und Verzögerungen im Atomkraft Zubau führen bis 2030 kumuliert zu mehr als 420 Mt CO2e, die zusätzlich kompensiert werden müssen (IEA/IPCC-Szenarien).
  • Kompensation: Für jede entfallene GW Atomkraft sind 2,8 GW Solar (durchschnittlich 23 % Kapazitätsfaktor) oder 1,9 GW Onshore-Wind (27 %) plus Speicher notwendig (IEA, 2025).
  • Kosten: Zusatzinvestitionen für Speicher/Netze belaufen sich je nach Region auf 15–49 Mrd. USD (2025–2030, OECD/IEA, World Nuclear News, 2025).

Finanzielle Risiken & politische Reaktionen

  • Stranded Assets: Plötzliche Abschreibungen von Projekten (z. B. NuScale SMR/USA 36 %) führten zu Forderungen nach neuen Haftungsregimen.
  • Politische Gegenmaßnahmen:
    • USA: Advanced Reactor Credit Program, State-guaranteed PPA
    • EU: Taxonomie-Debatte (Grün/Übergang), Fonds für Netzumbau und Umschulungen
  • Options-Liste: Risikoteilung über Contract-for-Difference, Netzreserveauktionen, Umschulungsprogramme, kurzfristige strategische Brennstoffbevorratung (IEA, 2025).

Bedeutung: Geopolitische Brüche und unerwartete CO2-Lasten machen Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung kurzfristig teurer. Der Atomkraft Rückgang kann nur abgefedert werden, wenn alternative Technologien (Wind, Solar+Speicher, CCS) und Finanzierungsstrategien schnell skalieren.

Fazit: Optionen für Versorgungssicherheit & Dekarbonisierung

Der Atomkraft Rückgang und der schleppende Zubau Atomkraftwerke 2025 erhöhen die systemischen Risiken für Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung. Echte Transformation braucht:

  • Transparentere Genehmigungs- und Förderregeln
  • Schnellere Zulassung alternativer Projekte (Wind, Speicher, CCS)
  • Investitionen in neue Brennstofflieferketten und Rückbaukompetenz
  • Finanzinnovationen für risikoarme Energieinfrastruktur

Kernenergie kann langfristig eine Rolle spielen, braucht aber stabile politische und finanzielle Leitplanken.

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Quellen

  • Trend reports – Nuclear Power Capacity (IAEA PRIS), IAEA, 2025-08-25, Link
  • World Nuclear Performance Report 2024, World Nuclear Association, 2025-08-25, Link
  • The Path to a New Era for Nuclear Energy, International Energy Agency (IEA), 2025-08-25, Link
  • Nuclear Technology Review 2024, International Atomic Energy Agency, 2025-08-25, Link
  • Uranium 2024: Resources, Production and Demand, OECD-NEA & IAEA, 2025-08-25, Link
  • Nuclear energy statistics, Eurostat, 2025-08-25, Link
  • Nuclear output to reach new record by 2025, says IEA, World Nuclear News, 2025-08-25, Link

 

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