Capture Price bei Solarstrom: Was Anlagenbetreiber jetzt wissen müssen
Capture Price ist der tatsächlich erzielte Marktpreis für eingespeisten Solarstrom und entscheidet zunehmend über Erlöse und Geschäftsmodelle von Solaranlagen. Der Begriff hilft, die Lücke zwischen dem durchschnittlichen Spotmarktpreis und dem Geld, das eine Anlage wirklich erhält, sichtbar zu machen. Wer Vermarktung, Speicher oder einen PPA nutzt, beeinflusst den Capture Price direkt — das ist für Anlagenbetreiber, Investoren und Planer von zentraler Bedeutung.
Einleitung
Für Betreiber von Solaranlagen hat sich in den letzten Jahren eine neue Kennzahl etabliert, die oft den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust ausmacht: der Capture Price. Dahinter steckt kein theoretisches Konstrukt, sondern das konkrete Geld, das bei jeder erzeugten Megawattstunde auf dem Spotmarkt ankommt. In Deutschland haben starke Zubauten an Photovoltaik, saisonale Erzeugungsspitzen und Phasen negativer Preise die erzielten Werte deutlich gedrückt. Das beeinflusst nicht nur Projektkalkulationen, sondern auch, ob Investitionen in Speicher, Contracts-for-Difference oder Direktvermarktung rentabel sind.
Der Blick auf den Capture Price macht Marktmechaniken sichtbar: Er zeigt, wann und wie Strompreise durch hohe PV-Einspeisung gedrückt werden und welche Folgen das für Erträge, Förderkonten und politische Entscheidungen hat. Für Privatpersonen mit Dachanlage wie für große Solarparks gilt deshalb zunehmend: Nicht nur die Erzeugung zählt, sondern wann der Strom ins Netz geht und wie er vermarktet wird.
Wie der Capture Price für Solarstrom entsteht
Der Capture Price ist vereinfacht gesagt der mengengewichtete Durchschnittspreis, den eine Anlage am Spotmarkt erzielt, also der tatsächliche Verkaufserlös pro MWh während der Stunden, in denen sie Strom erzeugt. Anders als ein einfacher Monats- oder Jahresmittelwert gewichtet er die Preise genau mit der erzeugten Menge: Stunden mit hoher Produktion haben größeren Einfluss.
Wesentliche Einflussfaktoren sind die erzeugte Leistungskurve einer Anlage, das Angebot anderer Erzeuger im selben Zeitraum und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Solar produziert vor allem mittags; fallen in diesen Stunden viele Anlagen zusammen aus, entsteht oft ein Überangebot, das Preise drückt. Dieses Phänomen wird als Kannibalisierung bezeichnet.
Capture Price misst nicht nur einen Preis; er zeigt, wie gut eine Anlage ihre Produktion in Geld wandelt.
Für die Praxis bedeutet das: Zwei Anlagen mit identischer Jahresproduktion können sehr unterschiedliche Capture Prices erzielen, wenn die eine morgens und abends mehr liefert (z. B. durch Nachführung) und die andere ausschließlich zur Mittagsglut beiträgt.
Zum Verständnis hier eine kompakte Übersicht mit ausgewählten Maßzahlen (Quelle: Netztransparenz, S&P Global):
| Merkmal | Beschreibung | Wert |
|---|---|---|
| Jahresmarktwert Solar 2024 | Offizieller Jahreswert, Grundlage für Marktprämien | 46,24 €/MWh |
| Capture Price Mai 2025 | Spotbasierter, mengengewichteter Erlös für Solar im Monat | 19,97 €/MWh (Mai 2025) |
| Capture-Rate 2024/2025 | Verhältnis Capture Price zu durchschnittlichem Marktpreis | rund 60 % (2024), 29,7 % (Mai 2025) |
Der Jahresmarktwert aus offiziellen Daten (Netztransparenz) ist eine nützliche Orientierung; kurzfristige Capture Price-Messungen zeigen aber die Signalwirkung von Spitzenerzeugung und negativen Preisen deutlicher.
Capture Price im Anlagenbetrieb: Praxisbeispiele
Im Alltag entscheiden drei Stellschrauben über den realen Erlös: Vermarktungsweg, technische Anlageeigenschaften und Zusatztechnik wie Speicher. Ein kleines Beispiel macht das greifbar:
Beispiel 1: Ein 30-kW-Dachanlagenbetreiber verkauft Strom standardmäßig über den lokalen Markt via Direktvermarktung. Bei stabiler Mittagsproduktion fallen viele produzierte Stunden in Zeiten niedriger Spotpreise; der durchschnittliche Capture Price liegt hier deutlich unter dem Jahresmarktwert. Steigt stattdessen die Nutzung eines Speichers, verschiebt der Betreiber Teile der Einspeisung in spätere Stunden mit höheren Preisen — der Capture Price verbessert sich.
Beispiel 2: Ein Solarpark mit 20 MW und Nachführtechnik produziert länger am Abend. Seine Profile sind heterogener, weshalb die Anlage mehr Stunden mit moderateren Preisen trifft. In Kombination mit einem PPA (Power Purchase Agreement) lassen sich Einnahmen stabilisieren, weil ein Teil der Produktion zu einem festen Preis abgesichert wird.
Technische Maßnahmen, die den Capture Price erhöhen können:
- Nachführung (Tracker): verlängert Erzeugungszeitraum und reduziert Mittags-Peaks.
- Einbindung von Batteriespeichern: ermöglicht Arbitrage zwischen niedrigen und höheren Preisstunden.
- Hybridisierung mit Wind oder Biomasse: glättet die Produktionskurve.
- Vermarktungsstrategien: PPAs, Merchandising, Bilanzkreismanagement und Portfolio-Bündelung.
Für Betreiber heißt das: Investitionsentscheidungen sollten nicht mehr nur auf Jahresenergieertrag basieren, sondern auf dem zu erwartenden Capture Price-Profil. Insbesondere bei langen Finanzierungsperioden lohnt es, Szenarien mit unterschiedlichen Marktpreisen durchzurechnen.
Risiken und Nebenwirkungen: Kannibalisierung und Marktstress
Der Begriff Kannibalisierung beschreibt, wie zusätzliche PV-Leistung die Preise in Zeiten hoher Einspeisung drückt — und so den Capture Price reduziert. In Deutschland haben witterungsbedingte Produktionsspitzen, kombiniert mit starkem Zubau, dazu geführt, dass in bestimmten Monaten Werte auf unter 20 €/MWh sanken. Solche Episoden bergen mehrere Risiken.
Erstens entstehen für Betreiber Ertragsverluste: Fördermechanismen wie Marktprämien gleicht nur teilweise aus, was auf dem Spotmarkt fehlt. Zweitens belastet das Defizit im Ausgleichs- oder EEG-Konto öffentliche Haushalte; in Spitzenmonaten sind zusätzliche Mittel nötig, um Zahlungen an Anlagenbetreiber zu sichern. Drittens gefährdet die Entwicklung langfristig die Bereitschaft privater Investoren, neue Projekte zu finanzieren, wenn langfristige Absicherungsoptionen (PPAs) rar sind.
Negative Preisstunden sind ein weiterer Effekt: Wenn Angebot die Nachfrage übersteigt, kann der Spotpreis kurzzeitig unter null sinken. Berichte dokumentierten 129 negative Stunden allein im Mai 2025. Solche Perioden erhöhen die Bedeutung von Flexibilität—sei es durch Speicher, Lastverschiebung oder gezielte Regelungseingriffe.
Diese Risiken treten regional unterschiedlich auf. Dort, wo viele Anlagen dicht beieinander stehen und die Netzkapazität begrenzt ist, fallen Capture Prices stärker. Daher sind sowohl räumliche Diversifikation der Anlagen als auch marktpolitische Anpassungen nötig, um dauerhafte Verzerrungen zu verhindern.
Was sich ändern könnte: Lösungen und Entwicklungspfade
Mehrere Wege führen dazu, dass der Capture Price wieder aussagekräftiger und stabiler wird. Ein zentraler Hebel ist die Flexibilisierung: Batteriespeicher und Nachfragemanagement verschieben Produktion in profitablere Stunden. Auf Systemebene lassen sich bessere Signale setzen, etwa durch zeitliche Differenzierung von Netzentgelten oder Vergütungen, die Verfügbarkeit belohnen.
Politisch diskutiert werden auch Instrumente, die Marktrollen klarer trennen: Mehr Marktintegration neuer Anlagen, stärkere Nutzung von PPAs bei Neuprojekten und Anpassungen in der EEG-Abwicklung, damit die öffentlichen Kosten begrenzt bleiben. Auf Geschäftsseite reagieren Anbieter mit kombinierten Angeboten: PPA plus Speicher oder Portfolio-Vermarktung, die das Risiko einzelner Stunden reduzieren.
Technisch sind hybride Anlagen ein attraktiver Ansatz: Kombination aus PV plus Wind oder Batterie glättet die Erzeugungskurve und erhöht den Capture Price durchschnittlich. Für Kommunen und Netzbetreiber bieten Lastverschiebungsprogramme (z. B. Ladesäulenmanagement, industrielle Lasten) Möglichkeiten, Nachfrage gezielt in Zeiten hoher Produktion zu bringen.
Letztlich hängt die Entwicklung von zwei Faktoren ab: Ausbaupfad und Marktdesign. Wenn Ausbau und Flexibilitätsvorräte im Gleichgewicht wachsen, ist mit einer Stabilisierung der Capture Prices zu rechnen. Bleibt Flexibilität dagegen hinter dem Ausbau zurück, könnten Niedrigpreise in Spitzenzeiten häufiger auftreten.
Fazit
Der Capture Price ist heute eine unverzichtbare Kennzahl, um die Wirtschaftlichkeit von Solarprojekten realistisch zu beurteilen. Er verbindet die technische Einspeisezeit einer Anlage mit den Marktpreisen und macht damit sichtbar, welche Stunden besonders wertvoll sind — oder besonders wenig bringen. Betreiber, Investoren und politische Entscheider sollten deshalb Vermarktungsstrategie, technische Auslegung und Systemintegration gemeinsam betrachten. Maßnahmen wie Speicher, Nachführung, hybride Anlagen und langfristige Verträge verbessern die Chancen, stabile Erlöse zu erzielen. Auf Systemebene braucht es bessere Anreize für Flexibilität, damit hohe Solaranteile nicht automatisch zu dauerhaft niedrigen Capture Prices führen.
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