Grüner Strom verschenkt? Warum Deutschlands Energiewende an Speichern scheitert

Warum verschenkt Deutschland regelmäßig erneuerbaren Strom? Deutschlands Mangel an Speichern zwingt zu Exporten – mit teils negativen Preisen. Welche Kosten und Chancen entstehen wirklich, welche Technologien könnten helfen, und welche Rolle spielen Politik und Verbraucher dabei? Hier die Antworten auf die dringendsten Fragen – kompakt, faktenbasiert, aktuell.

Inhaltsübersicht

Einleitung
Wie Deutschland beim grünen Strom ins Stolpern geriet: Historie, Begriffe, Status quo
Strom verschenken in der Praxis: Technik, Märkte, Verantwortlichkeiten
Was Speicher leisten könnten – und was sie bislang (nicht) tun
Kosten, Konflikte und unbekannte Stimmen: Wer gewinnt, wer zahlt?
Fazit


Einleitung

Deutscher Ökostrom ist begehrt – zumindest im Ausland. Denn wenn Sonne und Wind mehr Energie liefern, als das heimische Netz aufnehmen kann, wird dieser Überschuss oft billig, manchmal sogar mit Aufschlag, ins Ausland abgegeben. Doch diese Praxis hat ihren Preis: Ohne ausreichende Speicherkapazitäten steigen die Kosten der Energiewende massiv – Schätzungen sprechen von bis zu 60 Milliarden Euro. Wie es zum Stromverschenken kommt, welche Technologien helfen könnten und welche gesellschaftlichen Debatten das auslöst, erklärt dieser Artikel – faktenbasiert, verständlich und mit Blick auf Lösungen.


Wie Deutschland beim grünen Strom ins Stolpern geriet: Historie, Begriffe, Status quo

Der Siegeszug von grünem Strom in Deutschland ist ein Wendepunkt – doch der mangelhafte Umgang mit Stromüberschuss spitzt die Debatte zu. Seit dem Start der Energiewende explodierten die Anteile von Wind- und Solarenergie. Das Ziel: 80 % erneuerbare Energien bis 2030. Doch je mehr grüner Strom produziert wird, desto häufiger entstehen Überschüsse, die das deutsche Stromsystem herausfordern und zu teils absurden Marktsignalen führen – insbesondere in Verbindung mit mangelhaften Stromspeichern und träge reagierenden Netzen.

Stromüberschüsse, negative Preise und was dahintersteckt

Der Begriff “negativer Strompreis” meint: Es wird an der Börse zeitweise Geld dafür gezahlt, dass Strom abgenommen wird. Ursache sind Erzeugungsspitzen, wenn großer Überschuss grüner Strom auf eine geringe Nachfrage trifft und unflexible fossile Kraftwerke weiterlaufen. Zwischen 2019 und 2024 traten im Schnitt etwa 120 Stunden pro Jahr negative Preise auf, Spitzenwerte lagen teils noch höher (Next Kraftwerke).

Redispatch beschreibt die netztechnische Maßnahme, Kraftwerke gezielt hoch- oder herunterzufahren, um Netzengpässe zu vermeiden. Mit “Redispatch 2.0” seit 2021 müssen auch erneuerbare Anlagen abgeregelt werden, wenn das Netz überlastet ist. Betreiber erhalten Ausgleichszahlungen – laut Bundesnetzagentur belaufen sich die Kosten allein für Redispatch und Abregelung auf jährlich 2–4 Mrd. Euro (Rödl & Partner).

Wird grüner Strom abgeregelt oder sogar verschenkt, trifft das besonders die Energiewirtschaft – vor allem dann, wenn die sog. 4- bzw. 6-Stunden-Regel der EEG-Förderung greift: Bleiben die Preise über mehrere Stunden negativ, verlieren Anlagenbetreiber ihre Förderung (Next Kraftwerke).

Warum spitzt sich die Debatte jetzt zu?

  • Der EE-Anteil steigt, doch der Ausbau von Stromspeichern bleibt weit hinter dem Bedarf zurück (BMWK).
  • Netzausbau stockt, Flexibilitätsoptionen wie Lastmanagement und Sektorenkopplung sind bislang nur punktuell umgesetzt (BEE).
  • Fachstudien erwarten, dass Speicher ab etwa 60 % EE-Anteil wirtschaftlich und ab 90 % unverzichtbar werden (Agora Energiewende).

Im Fokus steht: Die Politik muss den regulatorischen Rahmen für Stromspeicher, Flexibilitätsmärkte und Netzausbau dringend nachschärfen, sonst droht der “Exportschlager” grüner Strom zum Dauerproblem für Verbraucher und Unternehmen zu werden.

Wie das “Stromverschenken” im Zusammenspiel zwischen Netzbetreibern, Strombörsen und Nachbarstaaten praktisch funktioniert, analysiert das nächste Kapitel: Strom verschenken in der Praxis: Technik, Märkte, Verantwortlichkeiten.


Strom verschenken in der Praxis: Technik, Märkte, Verantwortlichkeiten

Deutschland verschenkt immer häufiger grünen Strom – die Praxis ist komplex und teuer. Das Stromsystem hierzulande steht durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien unter Druck: Häufig erzeugen Wind- und Solaranlagen mehr grünen Strom, als Netz und Nachfrage aufnehmen können. Die Folge: Netzbetreiber müssen Strom abregeln oder ins Ausland exportieren – oft zu negativen Preisen.

Wer entscheidet über Abregelung und Stromexport?

Netzbetreiber sind für die Netzstabilität verantwortlich. Bei drohender Überlastung müssen sie die Einspeisung von Anlagen in betroffenen Regionen drosseln (Redispatch). Parallel nehmen sie am Rund-um-die-Uhr-Stromhandel an EU-Börsen teil. Über Auktionen wird überschüssiger Strom automatisiert an Nachbarländer geleitet, wenn dort Bedarf und Netz-Kapazität vorhanden sind. Der europäische Strommarkt ermöglicht so, dass Stromüberschuss nicht ungenutzt bleibt – aber auch, dass deutsche Verbraucher bei Netzengpässen für die Abregelung und Ausgleichszahlungen zahlen.

Wie groß ist der Umfang des “Verschenkens”?

  • 2024 gab es 457 Stunden mit negativen Strompreisen – ein Rekordwert. In solchen Phasen wird zu jedem Preis exportiert oder abgeregelt (Bundesnetzagentur).
  • Im gleichen Jahr exportierte Deutschland rund 35 TWh Strom, teils zu negativen Preisen, und importierte 67 TWh günstigen Strom zurück (IW Köln).
  • Die Kosten für Abregelung, Redispatch und Ausgleichszahlungen beliefen sich auf mehrere hundert Millionen Euro, getragen durch Netzentgelte und Umlagen (ee mag).

Rechtliche und technische Rahmenbedingungen

Der Strommarkt 2.0 (Strommarktgesetz, EEG) setzt auf Preissignale und Flexibilitätsoptionen. Kapazitäts- und Netzreserven werden wettbewerblich beschafft. Die europäische Integration sorgt für grenzüberschreitende Versorgungssicherheit – macht aber auch klar, dass deutscher Stromüberschuss kein lokales, sondern ein EU-weites Thema ist (NZZ).

Wie Stromspeicher diese Praxis künftig verändern könnten – und wo ihre Grenzen liegen – analysiert das nächste Kapitel mit Blick auf Technik, Kosten und Machbarkeit.


Was Speicher leisten könnten – und was sie bislang (nicht) tun

Speicher für grünen Strom sind der Schlüssel zur Energiewende – doch Deutschland ringt mit Technik, Kosten und Umsetzung. Während der Ausbau erneuerbarer Energien rasant voranschreitet, hinkt die Entwicklung von Stromspeichern hinterher. Effiziente Speicher sind jedoch unerlässlich, um Stromüberschüsse aus Wind und Sonne nutzbar zu machen und die Versorgung abzusichern.

Technologien im Überblick: Batterie, Wasserstoff, Pumpspeicher

  • Batteriespeicher – Bereits heute in Haushalten und als Großspeicher etabliert. Bis 2037 werden 67 GW erwartet, 2045 bis zu 113 GW. Ideal für kurzfristige Netzstabilisierung, aber nicht für saisonale Speicherung geeignet.
  • Power-to-X & Wasserstoff – Schlüssel für saisonale Speicherung. Prognose: 70–100 TWh Wasserstoffspeicherbedarf, 40–80 GW Elektrolyseleistung bis 2045. Umsetzung und Infrastruktur sind teuer, Investitionen und Regulierungen teils unklar.
  • Pumpspeicherkraftwerke – Rund 12 GW am Netz, keine deutliche Ausbauperspektive wegen Standortmangel. Wichtig für schnelle Lastwechsel, aber begrenzt ausbaufähig.

Kriterien: Effizienz, Kosten und Skalierung

  • Batterien: Wirkungsgrad 80–90 %, Kosten sinken, skalierbar für Kurzzeitspeicherung.
  • Wasserstoff: Geringerer Wirkungsgrad (25–50 %), Infrastrukturbedarf hoch, Potenzial als Langzeitspeicher bei Systemtransformation.
  • Pumpspeicher: Wirkungsgrad ca. 75–85 %, größte Erfahrungen, Standort begrenzt.

Engpässe und Risiken: Flächennutzung, Genehmigungen, hohe Investitionskosten, Fachkräftemangel sowie Risiken bei Ausfällen und Netzengpässen behindern Großskalierung. Ohne Smart Grids und Digitalisierung bleibt auch die Steuerung von Stromspeichern unzureichend. Neue Speicher wie Schwungräder oder Superkondensatoren sind bisher nicht marktreif.

Szenarien und Alternativen: Die Netzentwicklungspläne 2037/2045 rechnen mit massivem Ausbau von Speichern und Netzen (250 Mrd. Euro bis 2045). Sektorenkopplung – etwa die elektrische Verbindung mit Wärme, Verkehr oder Industrie – gilt als Hoffnungsträger, ist aber in der Praxis hochkomplex und von Investitionssicherheit und Regulierungen abhängig.

Welche gesellschaftlichen Konflikte, Kosten und Chancen sich daraus ergeben, zeigt das nächste Kapitel: Kosten, Konflikte und unbekannte Stimmen: Wer gewinnt, wer zahlt?


Kosten, Konflikte und unbekannte Stimmen: Wer gewinnt, wer zahlt?

Der Stromüberschuss aus grüner Energie und fehlende Stromspeicher sorgen in der Energiewende Deutschland für gesellschaftliche Gräben – bei den Kosten, der Verteilung von Chancen und Risiken sowie der Akzeptanz. Während Verbraucher auf steigende Netzentgelte und Abgaben blicken, fürchten Unternehmen um Wettbewerbsfähigkeit und Kommunen um Mitgestaltung. Die Kosten für Netzausbau, Redispatch und Speichertechnologien summieren sich laut aktuellen Studien auf rund 650 Mrd. Euro bis 2045 – ein Großteil wird über Strompreise und Steuern umgelegt (Hans-Böckler-Stiftung).

Interessen, Konflikte und Stimmen am Rand

  • Verbraucherschützer warnen vor sozialen Schieflagen: Besonders einkommensschwache Haushalte tragen die Last der Energiewende überproportional (BMWK).
  • Kleinere Energieerzeuger und Bürgerenergie fühlen sich marginalisiert. Sie kritisieren steigende Kapitalkosten durch komplexe Marktdesigns und schwankende Erlöse.
  • Kommunen fordern mehr Teilhabe, besonders bei lokaler Wärme- und Infrastrukturplanung. Viele stehen zwischen Förderdruck und Bürgerprotest.
  • Nachbarländer fordern faire Marktregeln, sehen aber auch Vorteile günstigen Stromimports, solange das EU-Netz stabil bleibt (Agora Energiewende).

Ökologische und ethische Fragen betreffen nicht nur den Klimaschutz: Der Ausbau von Netzen und Anlagen verändert Landschaft und Alltagsleben, oft ohne ausreichende Mitsprache vor Ort. Die Frage der Klimagerechtigkeit gewinnt an Bedeutung – wer trägt die ökologischen Belastungen, wer profitiert vom Stromexport?

Kritische Annahmen und gesellschaftliche Risiken

  • Der Glaube an rasche politische Steuerbarkeit und technische Durchbrüche ist laut Studien und Experten zunehmend trügerisch: Planungsprozesse, Materialengpässe und Fachkräftemangel führen zu Verzögerungen und Kostensteigerungen (Bundesnetzagentur).
  • Digitale Infrastruktur (Smart Meter, Flexstromtarife) gilt als Schlüssel, doch der Rollout stockt.
  • Viele alternative Stimmen bleiben im politischen Prozess unterrepräsentiert – das gefährdet Akzeptanz und birgt soziale Spannung.

Damit die Energiewende ein Gewinn für alle wird, müssen reale Kosten transparent, soziale und regionale Interessen frühzeitig einbezogen und ökologische Standards klar definiert werden. Langfristig entscheidet nicht nur Technik, sondern gesellschaftlicher Konsens über den Erfolg von grünem Strom.


Fazit

Deutschlands Umgang mit überschüssigem Ökostrom bleibt ein zentrales Thema für Wirtschaft, Verbraucher und Klimaschutz. Ohne massive Investitionen in Speicher drohen weiterhin Milliardenausgaben und politische Konflikte. Neue Technologien und breitere gesellschaftliche Beteiligung könnten Impulse setzen – aber nur, wenn alte Denkmuster und trügerische Gewissheiten hinterfragt werden. Jede Entscheidung heute beeinflusst, wie gerecht, wirtschaftlich und nachhaltig die Energiezukunft ausfällt.


Diskutiere mit: Was wäre für dich der sinnvollste Umgang mit überschüssigem grünen Strom? Teile deine Meinung und Lösungen in den Kommentaren!

Quellen

Erneuerbare Energien senken Strompreise unabhängig von der Nachfrage
Abregelung von EE-Anlagen: Redispatch 2.0 vs. Negative Börsenstrompreise | Rödl & Partner
4-Stunden-Regel bzw. 6-Stunden-Regel | Negative Strompreise
Grünstrom im Überfluss: Warum Erneuerbare abgeregelt werden
Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Flexibilität im Strommarkt und Senkung der Kosten der Energiewende
Bedeutung von Speichern für die Energiewende
Die Wahrheit hinter Deutschlands Import-Rekord beim Strom – Institut der deutschen Wirtschaft (IW)
Strom-Irrsinn entlarvt: Warum Deutschland und Europa vom Handel profitieren – ee mag
Warum Deutschland immer häufiger Strom verschenken muss – NZZ
Ein Strommarkt für die Energiewende – BMWi Grünbuch 2014
Bundesnetzagentur veröffentlicht Daten zum Strommarkt 2024
Speicher für die Energiewende – Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) 2024
Netzentwicklungsplan Strom 2037 mit Ausblick 2045, Version 2023 – Bundesnetzagentur & ÜNB
Energiewende: Planlos, aber ambitioniert? | Herbert Saurugg – Interview mit ChatGPT 2024
Umsetzung der Energiewende: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit – Forum für Zukunftsenergien 2024
Stromspeicher – Die Zukunft der Energieversorgung | EnBW
Stellungnahmen Dritter im Rahmen der Konsultation des BMWK zum Strommarktdesign der Zukunft
Gut 650 Milliarden Euro bis 2045: Studie berechnet Investitionsbedarf in deutsche Stromnetze
Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2024
Monitoringbericht Energie 2024 – Bundesnetzagentur

Hinweis: Für diesen Beitrag wurden KI-gestützte Recherche- und Editortools sowie aktuelle Webquellen genutzt. Alle Angaben nach bestem Wissen, Stand: 8/6/2025

Artisan Baumeister

Mentor, Creator und Blogger aus Leidenschaft.

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