Moment der Zeitenwende: Erneuerbare überholen Kohle

Zuletzt aktualisiert: 16. Oktober 2025

Kurzfassung

Die Emissions‑ und Erzeugungsdaten von Ember zeigen: Im ersten Halbjahr 2025 produzierten Wind und Solar erstmals mehr Strom als Kohle. Diese Momentaufnahme — auf Basis von Ember‑Monatsdaten (Jan–Jun 2025) — markiert einen wichtigen Wendepunkt und liefert klare Hinweise für Netzplanung, Speicherbedarf und Energiepolitik. Der Befund, dass erneuerbare überholen Kohle, ist robust, bleibt aber wetter‑ und datenabhängig.


Einleitung

Dieses Jahr hat eine symbolische Linie verschoben: Erneuerbare Energien gelten nicht mehr als Zukunftsversprechen, sie überholen in einer bedeutenden Metrik erstmals die Kohleverstromung. Die Zahl stammt aus der Ember‑Analyse für das erste Halbjahr 2025 und zeigt, wie schnell Photovoltaik und Wind gewachsen sind. Für Leserinnen und Leser bedeutet das nicht nur eine Schlagzeile — es heißt, dass sich Märkte, Netze und politische Entscheidungen plötzlich mit anderen Prioritäten messen müssen. Im Folgenden schauen wir genau hin: Was sagen die Zahlen, wo unterscheiden sich Regionen, welche praktischen Folgen hat das für Kraftwerke und Netze, und welche Technologien stehen jetzt auf der Gewinnerseite?


Daten & Kontext des Überholens

Die Kernzahl ist simpel und doch tiefgreifend: Ember berechnet für Jan–Jun 2025 eine Gesamterzeugung aus erneuerbaren Quellen (vor allem Wind & Solar) von rund 5.072 TWh gegenüber etwa 4.896 TWh aus Kohle. Damit liegen Wind und Solar in diesem Zeitraum erstmals über der Kohleverstromung. Entscheidend ist die Methodik: Ember stützt sich auf monatliche Produktionsdaten aus 88 Ländern (das entspricht knapp 93 % der weltweiten Nachfrage) und modelliert den Rest. Das macht das Ergebnis breit abgestützt, aber nicht völlig fehlerfrei — fehlende Länder und Nachträge können die Bilanz leicht verändern.

“Global renewable power output overtakes coal for the first time” — Zusammenfassung in internationalen Medien nach Ember‑Daten.

Hinter der Zahl stehen zwei Treiber: ein starker Anstieg der Solarproduktion (+306 TWh, rund +31 % gegenüber H1‑2024) und ein moderates Windwachstum (+97 TWh, ca. +7.7 %). Gleichzeitig wuchs die weltweite Stromnachfrage um rund 369 TWh (+2.6 %). Kurz gesagt: Solar und Wind haben nicht nur Marktanteile gewonnen, sie haben auch den Bedarf mit einem großen Teil des Zuwachses gedeckt. Ember selbst weist darauf hin, dass Hydrologie, Monatsschwankungen und nachträglich verifizierte TSO‑Daten kleinere Anpassungen möglich machen — ein wichtiges Vorbehalt, den man beim Lesen dieser Momentaufnahme mitdenken sollte.

Eine kompakte Tabelle hilft beim Überblick:

Merkmal Wert Einheit
Erneuerbare (Jan–Jun 2025) 5.072 TWh
Kohle (Jan–Jun 2025) 4.896 TWh
Solar Zuwachs (YoY) +306 TWh (+31 %)

Wichtig: Diese Momentaufnahme ist ein Signal, kein endgültiges Urteil. Ember selbst empfiehlt regelmäßige Updates und den Vergleich mit IEA‑ und nationalen TSO‑Daten, weil saisonale Effekte oder nachträgliche Korrekturen die Bilanz verändern können.

Regionale Unterschiede (EU, USA, Asien)

Das globale Ergebnis kaschiert starke regionale Unterschiede. In Asien, besonders in China und Indien, sitzt die Dynamik: Ember weist China einen Löwenanteil am Solarwachstum zu — medial zitiert werden rund 55 % der globalen Solarzunahme. Das passt zu Berichten über massive PV‑Inbetriebnahmen und beschleunigte Netzanbindungen in China. Indien zeigt hohe prozentuale Zuwächse, getragen von großen Solarparks und verstärktem Ausbau der Übertragungsnetze.

Im Gegensatz dazu verzeichneten EU und USA im gleichen Halbjahr nicht überall Rückgänge bei fossiler Erzeugung. Dort spielten kurzfristige Faktoren wie Windflauten, schwache Hydroerträge oder schwankende Gaspreise eine Rolle; in Teilen der USA stieg Kohleeinsatz saisonal an. Solche regionale Sonderfälle erinnern daran: Ein globaler Vorsprung erneuerbarer Energien bedeutet nicht, dass jedes Land gleichzeitig den gleichen Trend erlebt.

Für Politik und Investoren heißt das: Entscheidungen müssen lokal gedacht werden. Kraftwerksstilllegungen, Netzausbau und Speicherinvestitionen folgen nicht allein globalen Headlines, sondern lokalen Balancen aus Nachfrage, Erzeugung und Netzkapazität. In China etwa kann der hohe Zubau von PV zu kurzfristigen Kursspitzen in lokalen Märkten führen — was die Notwendigkeit von Speichern und Marktregeln erhöht. In Europa wiederum stehen Ausbau von Übertragungsleitungen und grenzüberschreitende Kapazitäten hoch auf der Agenda, weil regionale Erzeugungsvariabilität durch Handel und Netze ausgeglichen werden kann.

Ein weiterer Punkt: Datenquellen differieren. Ember liefert einen globalen, vergleichbaren Blick. Nationale TSOs und Statistikämter haben oft detailliertere Monatsdaten, die regionale Besonderheiten stärker abbilden. Für Leser bedeutet das: Medienberichte auf Basis von Ember geben einen starken Hinweis, aber für Länderanalysen sind nationale Daten maßgeblich.

Konsequenzen für Kraftwerksplanung und Netzintegration

Wenn Wind und Solar signifikant wachsen, hat das unmittelbare Folgen für die Planung von Kraftwerken und Netzen. Erstens: Flexibilität wird zur Schlüsselgröße. Anlagen mit schneller Einsatzfähigkeit — Gaskraftwerke, Batteriespeicher, Laststeuerung — gewinnen Wert, weil sie Schwankungen ausgleichen. Das bedeutet keine sofortige Abkehr von thermischer Erzeugung, wohl aber eine Neuordnung ihrer Rolle: von Grundlast zu flexibler Kapazität.

Zweitens: Speicherinvestitionen werden dringlicher. Kurzfristige Batteriespeicher glätten Minuten‑ bis Stunden‑Schwankungen; Langzeitspeicher wie Pumpspeicher, Druckluft oder neue Langzeitbatterien adressieren saisonale Lücken. Netzbetreiber und Investoren sehen steigenden Bedarf an beidem, ebenso an intelligenter Steuerung und digitaler Mess‑ und Regeltechnik, um volatile Einspeisung in Echtzeit zu managen.

Drittens: Kapazitätsmärkte und Genehmigungsverfahren stehen unter Druck. Länder, die bisher auf einfache Reservekapazitäten gesetzt haben, müssen jetzt schneller Rahmenbedingungen für Speicher, Demand Response und Netzverstärkung schaffen. Gleichzeitig ändern sich Rentabilitätsrechnungen für neue Kohle‑ oder Gaskraftwerke: In Szenarien mit hohem VRE‑Anteil sinken Laufzeiten und Kapazitätsfaktoren für konventionelle Anlagen, was Bauentscheidungen beeinflusst.

Viertens: Netzplanung bekommt neue Prioritäten. Ausbau von Höchstspannungsleitungen, stärkere Sektorenkopplung (z. B. Elektrifizierung der Wärmeversorgung), und regionale Marktintegration sind nötig, damit lokale Erzeugungsspitzen nicht zu Netzengpässen oder Curtailment (Abregelung) führen. In Summe heißt das: Technische Flexibilität, regulatorische Anpassungen und koordinierte Investitionen sind jetzt dringender als noch vor wenigen Jahren.

Ausblick: Welche Technologien gewinnen als Nächstes

Die Beobachtung, dass Wind und Solar nun Kohle überholen, ist zugleich ein Hinweis, welche Technologien als Nächstes an Bedeutung gewinnen dürften. An erster Stelle stehen Speichertechnologien: Lithium‑Ionen‑Batterien dominieren derzeit kurzfristige Anwendungen, doch der Markt testet zunehmend längerfristige Lösungen — Redox‑Flow, natriumbasierte Batterien und Skaleneffekte bei Pumpspeichern können in den kommenden Jahren wichtiger werden.

Offshore‑Wind, insbesondere schwimmende Anlagen, bleibt ein großer Kandidat für hohes Wachstum, vor allem in Küstenregionen mit dichter Nachfrage. Parallel dazu wird vermehrt in Netzinfrastruktur und digitale Systeme investiert, die Prognosen, Dispatch und Marktzugänge verbessern. Diese Technologie‑Kombination ermöglicht eine bessere Integration von stark fluktuierenden Quellen.

Ein weiterer Bereich mit Potenzial ist die Sektorenkopplung: Erneuerbarer Strom zur Produktion von grünem Wasserstoff schafft Flexibilität und kann schwer dekarbonisierbare Bereiche (Industrie, Schwertransport) adressieren. Auch Power‑to‑Heat‑Lösungen und intelligente Wärmenetze sind Chancen, Lastprofile zu verschieben und erneuerbare Überschüsse zu nutzen.

Schließlich werden Software und Marktmechanismen unterschätzt: Energie‑Management‑Plattformen, virtuelle Kraftwerke und dynamische Tarife können Verbraucher zu flexiblen Partnern machen. Kurz gesagt: Nicht nur einzelne Technologien gewinnen, sondern ganze Systempakete — Speicher, Netze, Marktdesign und Sektorenkopplung — entscheiden darüber, ob das Momentum erhalten bleibt.


Fazit

Die Ember‑Daten für H1 2025 liefern einen klaren Hinweis: Erneuerbare Energien haben in diesem Zeitraum erstmals mehr Strom erzeugt als Kohle. Das ist ein Meilenstein, aber keine finale Gewissheit — saisonale Effekte und Daten­­nachträge können die Bilanz verschieben. Für Entscheider bedeutet das: Beschleunigen beim Netz‑ und Speicherbau, bei Marktdesigns und der regionalen Abstimmung. Die Richtung ist klar; die Details sind nun Aufgabe der Umsetzung.


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Artisan Baumeister

Mentor, Creator und Blogger aus Leidenschaft.

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