Deutschland kippt Festvergütungen? Was der Markt-Pivot bedeutet

Zuletzt aktualisiert: 27. September 2025

Kurzfassung

In Berlin wächst der Druck, feste Vergütungen zu verlassen und die Förderung für neue Wind- und Solarprojekte stärker an den Markt zu koppeln. Im Zentrum stehen Differenzverträge (CfD) und PPAs als Bausteine marktbasierten Förderungen. Was heißt das für Bürgerenergie, Finanzierung und Risikoaufschläge? Wir ordnen Gewinner und Verlierer, erklären die Logik hinter dem Pivot und zeigen, wie Projekte 2025/26 bankfähig bleiben – ohne den Nervenkitzel negativer Preise zu unterschätzen.


Einleitung

Deutschland steht vor einem strategischen Kurswechsel in der Erneuerbaren-Förderung. Feste Vergütungen haben den Ausbau getragen, doch die Energiekrise und die EU-Reform des Strommarkts schieben marktorientierte Modelle nach vorn. Im Gespräch: Differenzverträge (CfD) und langfristige Stromlieferverträge (PPAs). Für Bürgerenergie klingt das nach Bürokratie und Bieterdruck – für Investoren nach planbarerem Cashflow. Entscheidend wird sein, wie marktbasierten Förderungen konkret ausgestaltet werden. Dieser Artikel erklärt die Mechanik, ordnet Chancen und Risiken und zeigt, worauf Projekte jetzt achten müssen.


Vom Fixpreis zum Markt: Was wirklich kippt

Festvergütungen geben einen garantierten Abnahmepreis. In Deutschland lief das zuletzt über Ausschreibungen mit Marktprämie. Die EU hat 2024 den Rahmen geschärft: Zweiseitige Differenzverträge (Two-way CfDs) gelten nun als Standardinstrument für staatliche Unterstützung neuer Anlagen. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) diskutiert, wie diese Verträge hierzulande andocken – voraussichtlich über Auktionen und in Koexistenz mit PPAs.

Ein CfD funktioniert wie eine Preissicherung: Liegt der Marktpreis unter dem Strike-Preis, zahlt der Staat die Differenz. Liegt er darüber, zahlt die Anlage zurück. So sinkt das Preisrisiko, während kurzfristige Preissignale am Spotmarkt erhalten bleiben sollen. Entscheidend sind Details: Wie wird der Referenzpreis ermittelt? Was passiert bei anhaltend negativen Preisen? Und wie werden kleine Projekte entlastet?

“CfDs sind kein Freifahrtschein, sondern ein Sicherheitsgurt: Sie dämpfen Ausschläge, aber sie lenken das Auto nicht.”

Die folgenden Merkmale helfen, den Unterschied zu spüren:

Merkmal Beschreibung Effekt
Festvergütung Fixer Erlös je kWh, kaum Marktteilnahme Geringes Preisrisiko, schwache Marktsignale
Marktprämie Erlös = Marktpreis + Prämie bis Zielwert Teilweise Marktsignale, Restabsicherung
Two-way CfD Zahlungen in beide Richtungen um Strike Stabile Cashflows, Rückzahlungen bei hohen Preisen

Die EU-Vorgaben sind gesetzt, doch nationale Feinarbeit entscheidet: Ohne klare Regeln zu Referenzprofilen und negativen Preisen drohen Fehlanreize. Mit guten Regeln kann der Pivot die Finanzierung erleichtern – auch für Bürgerenergie, wenn Ausnahmen und einfache Verfahren greifen.

Gewinner, Verlierer und neue Spielregeln

Wer profitiert? Projekte mit solider Datenlage, gutem Standort und professioneller Vermarktung. Für sie senken CfDs die Kapitalkosten, weil Banken planbarere Einnahmen sehen. Auch Verbraucher können profitieren, wenn Rückzahlungen bei hohen Marktpreisen die öffentlichen Kassen entlasten.

Wer muss aufpassen? Bürgerenergie und kleine Entwickler. Ausschreibungen verlangen Vorfinanzierung, Sicherheiten und Zeit. Das lässt sich abfedern: Die EU erlaubt Erleichterungen und Ausnahmen für kleine Akteure. Deutschland hat dafür Spielräume – entscheidend ist, wie großzügig die Schwellen und Verfahren gesetzt werden.

Stadtwerke und Aggregatoren werden wichtiger. Sie bündeln Erzeugung, handeln am Markt und strukturieren PPAs. Für Fonds und Versicherer wird es attraktiver, da Cashflows glatter werden. Dagegen könnten rein spekulative Modelle mit „reinem Merchant-Risiko“ an Schwung verlieren, wenn CfD-Auktionen die Messlatte setzen.

Und was ist mit Systemstabilität? Marktbasierten Förderungen wirken nur, wenn kurzfristige Preissignale bleiben. Das bedeutet: Flexibilität – Speicher, steuerbare Lasten, smarte Tarife – wird wertvoller. Projekte, die sich darauf einstellen (z. B. durch Direktvermarktung mit Intraday-Fokus), spielen im neuen Setup vorn mit.

Unterm Strich: Der Pivot verschiebt die Balance. Weniger Garantie, mehr Markt – aber mit Fangnetz. Wer Vorbereitung, Daten und Partner mitbringt, zählt zu den Gewinnern. Wer nur auf alte Fixpreise setzt, riskiert den Anschluss zu verlieren.

Finanzierung, PPAs & Risikoaufschläge

Banken lieben Vorhersagbarkeit. Ein Two-way CfD liefert genau das: einen Korridor für Erlöse. In Kombination mit einem PPA – einem längerfristigen Stromliefervertrag mit einem Unternehmen – wird aus volatil planbar. Das senkt Risikoaufschläge und kann die Eigenkapitalrendite stabilisieren. Wichtig: PPAs bleiben Marktverträge, CfDs sind die staatliche Absicherungsschicht dazu.

Was drückt die Finanzierung? Unklare Regeln zu Referenzpreisen und zu negativen Preisen. In Deutschland gibt es bereits Mechaniken, die Zahlungen bei längeren Negativpreis-Phasen einschränken (Datenstand älter als 24 Monate). Je nachdem, wie diese Logik in neue CfDs übersetzt wird, kalkulieren Entwickler Abschläge ein. Je transparenter die Formeln, desto kleiner die Aufschläge.

Für Bürgerenergie heißt das: Sucht Partner. Stadtwerke, Energiegenossenschaften und Aggregatoren können Standard-PPAs, Bilanzkreis-Services und Ausschreibungsunterlagen liefern. Wo möglich, sollten vereinfachte Verfahren und Ausnahmen genutzt werden. Eine realistische Zeitplanung – Genehmigung, Netzanschluss, Sicherheiten – verhindert teure Nachbesserungen kurz vor der Auktion.

Was tun gegen Zinsrisiken? Staffelt die Finanzierung, prüft tilgungsfreie Phasen und verankert Preisindizes im PPA. Kalkuliert konservativ mit Capture-Preisen statt nur mit Jahresmittelwerten. Und vergesst die Vermarktung nicht: Intraday-Optimierung und Flexibilitätspakete können den Erlös um einige Prozentpunkte heben – besonders an Tagen mit viel Wind und Sonne.

So gelingt der Pivot: Roadmap 2025/26

2025 wird zum Testjahr. Die EU hat die Leitplanken gesetzt, das BMWK konkretisiert. Für Projekte heißt das: frühzeitig auf CfD- und PPA-Tauglichkeit prüfen. Erstens, Zahlen sortieren: Erzeugungsprofil, Capture-Preise, Abregelungsrisiken, Netzanschlusssituation. Zweitens, Partner wählen: Direktvermarkter, PPA-Abnehmer, Banken. Drittens, die Ausschreibungsunterlagen und Fristen im Blick behalten.

Für Bürgerenergie ist Tempo mit Augenmaß gefragt. Nutzt mögliche Ausnahmen, teilt Risiken über Partnerschaften und setzt auf standardisierte Verträge. Eine klare Governance – wer entscheidet, wer unterschreibt, wie werden Risiken verteilt – spart Nerven. Gute Kommunikationsarbeit hilft, Mitglieder mitzunehmen, wenn aus sicheren Festvergütungen marktbasierten Förderungen werden.

Policy-Seite: Sinnvoll sind Pilotauktionen, transparente Referenzpreis-Methoden und klare Regeln für negative Preise. Wichtig ist auch ein Monitoring, das Ausschreibungsergebnisse, Preisverläufe und Rückzahlungen sichtbar macht. So lässt sich nachsteuern, falls Fehlanreize auftauchen – etwa, wenn Anlagen trotz vollem Netz bei negativen Preisen durchfahren.

Unser Tipp fürs nächste Quartal: Projektkalkulationen in zwei Varianten rechnen – mit CfD und mit reinem PPA – und die Finanzierung darauf ausrichten. Wer flexibel bleibt, kann schnell entscheiden, sobald die Detailregeln final sind.


Fazit

Der Markt-Pivot ist kein Stopp für Bürgerenergie, sondern ein Update der Spielregeln. CfDs können Finanzierung erleichtern, wenn Details stimmen. PPAs bleiben das Scharnier zwischen Projekt und realer Nachfrage. Risiken bleiben – vor allem rund um negative Preise und Referenzwerte – doch mit guten Partnern sind sie beherrschbar. 2025 entscheidet die Ausgestaltung, 2026 der Rollout.


Diskutiere mit uns in den Kommentaren: Welche Erfahrungen macht ihr mit PPAs und CfDs? Teilt den Artikel in euren Netzwerken – je mehr Praxisstimmen, desto besser werden die Regeln!

Artisan Baumeister

Mentor, Creator und Blogger aus Leidenschaft.

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