Wie Stromspeicher fossile Kraftwerke ersetzen können
Stromspeicher sind der Dreh- und Angelpunkt, wenn erneuerbare Energien verlässlich liefern sollen. Dieser Text ordnet die wichtigsten Speicherarten ein, zeigt, wie Pumpspeicher, Batteriesysteme und Wasserstoff saisonale und kurzzeitige Lücken schließen können und warum ein Mix nötig ist. Leserinnen und Leser erhalten konkrete Einschätzungen zu Kapazitäten, Wirkungsgraden und Kosten sowie eine Einschätzung, wie viel Speicher nötig ist, damit fossile Kraftwerke langfristig seltener einspringen müssen.
Einleitung
Wenn Wind und Sonne viel Strom liefern, sind Verbrauch und Erzeugung nicht automatisch im Gleichgewicht. Zu viel Strom wird abgeregelt, zu wenig führt zu Knappheit – in solchen Momenten übernehmen bislang fossile Kraftwerke die Versorgungssicherheit. Speichertechnik verändert dieses Verhältnis: Sie nimmt überschüssige Energie auf und gibt sie bei Bedarf wieder ab. Damit wächst die Frage, wie groß die Speicherflotte werden muss, damit fossile Kraftwerke seltener ans Netz müssen. Dieser Beitrag beschreibt, welche Speicherarten heute verfügbar sind, wie viel Kapazität realistisch ist und welche politischen und technischen Schritte nötig sind, damit erneuerbare Energien zuverlässig die Rolle von Kohle und Gas übernehmen können.
Warum Stromspeicher für das Netz wichtig sind
Netzstabilität beruht auf drei Säulen: Erzeugung, Übertragung und Flexibilität. Stromspeicher liefern Flexibilität auf unterschiedliche Zeit-Skalen. Kurzfristige Speicher (Sekunden bis Stunden) stabilisieren Frequenz und Spannung; mittelfristige Systeme (Stunden bis Tage) gleichen tägliche Schwankungen; saisonale Speicher über Wochen bis Monate puffern jahreszeitliche Unterschiede. In Deutschland lagen Erneuerbare 2024 bei rund 55 % des Stromverbrauchs. Studien zeigen, dass dafür sowohl schnelle Batteriespeicher als auch langfristige Lösungen wie Pumpspeicher und saisonale Wasserstoffspeicher nötig sind (Agora Energiewende; IEA).
Große Mengen wetterabhängiger Erzeugung brauchen unterschiedliche Speicherzeiten – kurz, lang und saisonal – damit fossile Kraftwerke seltener einspringen.
Die installierte Pumpspeicherkapazität in Deutschland beträgt netto fast 10 GW Leistung; sie liefert Kapazität über Stunden bis zu einem Tag und ist seit Jahren weitgehend konstant. Batterien wachsen schnell, sind ideal für Minuten bis Stunden. Wasserstoff ist dagegen für saisonale Speicherung interessant: Über Salzkavernen lassen sich große Energiemengen lagern, wenn Effizienzverluste und Umwandlungskosten einkalkuliert werden.
Eine vereinfachte Gegenüberstellung zeigt die wichtigsten Eigenschaften:
| Speichertyp | Zeitskala | Stärke |
|---|---|---|
| Pumpspeicher | Stunden | Hohe Leistung, große Speicherreserve |
| Batteriespeicher (Li-Ion) | Minuten bis Stunden | Schnell, flexibel, kostensinkend |
| Wasserstoff (PtG + Kavernen) | Wochen bis Monate | Saisonal, große Energiemengen, geringerer Wirkungsgrad |
Kein einzelner Speicher ersetzt fossile Kraftwerke vollständig. Vielmehr reduziert ein abgestimmter Mix die Einsätze von Kohle und Gas, indem Leistung, Energie und Dauer bedarfsgerecht bereitgestellt werden.
Wie verschiedene Speicher im Alltag funktionieren
Viele kennen Speicher aus dem Haushalt: Die Batterie im Smartphone oder im Elektroauto puffert Energie für Stunden. Im Stromnetz sind die Prinzipien ähnlich, nur die Dimensionen anders. Batteriespeicher speichern elektrische Energie direkt und geben sie schnell zurück. Das macht sie ideal, um kurzfristige Leistungslücken zu füllen, etwa wenn in einer windarmen Stunde plötzlich viele Verbraucher Energie brauchen. Batterien sind wirtschaftlich effizienter geworden und werden in Deutschland stark ausgebaut.
Pumpspeicher nutzen Wasser als Energiespeicher: Bei Überschuss wird Wasser in ein höher gelegenes Becken gepumpt; bei Bedarf läuft es wieder durch Turbinen. Diese Anlagen liefern hohe Leistung über Stunden und sind technisch erprobt. Deutschland hat rund 9,9 GW installierter Nettonennleistung in Pumpspeichern, ein wichtiger Bestandteil der mittelfristigen Netzstabilität.
Wasserstoff entsteht, wenn überschüssiger Strom in Elektrolyseure fließt und Wasser gespalten wird. Der so erzeugte Wasserstoff kann in Kavernen gespeichert und später in Gaskraftwerken, Gasturbinen oder Brennstoffzellen wieder in Strom oder Wärme umgewandelt werden. Die Roundtrip-Effizienz (Strom → H2 → Strom) liegt deutlich unter der von Batterien, typischerweise im Bereich von etwa 38–55 %. Dafür lassen sich mit H2 große saisonale Energiemengen speichern, die mit Batterien nicht praktikabel wären.
Im Alltag bedeutet das: Für kurzfristige Ausgleichsleistung sorgen zunehmend Batteriesysteme; für länger andauernde Dunkelflauten sind Pumpspeicher und perspektivisch Wasserstoffspeicher zuständig. Die Kombination beeinflusst, wie oft und wie lange fossile Kraftwerke noch gebraucht werden.
Chancen und Risiken beim Ersatz fossiler Kraftwerke
Die Chance liegt in der Kosten- und Emissionsreduktion: Mehr Speicher verringert die Notwendigkeit, fossile Anlagen als Bereitschaftskapazität vorzuhalten. Studien zeigen, dass ein deutlicher Ausbau von Speichertechnologien Systemkosten senken kann, weil weniger fossile Erzeugung für Spitzenlasten erforderlich ist. Zudem reduziert weniger Einsatz von Kohle und Gas direkte CO2-Emissionen.
Gleichzeitig bestehen klare Risiken: Technische und wirtschaftliche Barrieren, Begrenzungen beim Netzausbau und regulatorische Unsicherheit bremsen die Umsetzung. Pumpspeicher sind standortabhängig und oft politisch strittig. Batteriesysteme brauchen Rohstoffe und eine verantwortungsvolle Recyclingkette. Wasserstoffprojekte sind capital-intensive und hängen von Regelungen zur Zertifizierung und zum CO2-Konto ab.
Auch die Frage der Skalierung ist zentral. Internationalen Analysen zufolge müsste die Speicherkapazität deutlich schneller wachsen, um den Net-Zero-Pfad zu unterstützen. Manche Szenarien sehen ein Vielfaches der heutigen Kapazitäten vor. Ohne klare politische Vorgaben und Finanzierungsmodelle bleibt es jedoch unwahrscheinlich, dass Speicher allein in kurzer Zeit alle Funktionalitäten fossiler Kraftwerke übernehmen können.
Wichtig ist die Abstimmung von Marktregeln: Speicher sollten Einnahmequellen für Regelenergie, Kapazitätsleistungen und Energiemärkte kombinieren dürfen. Nur so entsteht ein wirtschaftlicher Anreiz für große Projekte — von Pumpspeicher-Ausbau über großflächige Batterieparks bis zu PtG-Anlagen mit Kavernen.
Wie das System in den nächsten Jahren aussehen könnte
In naher Zukunft ist ein hybrides System plausibel: Massive Zubauten bei Batteriespeichern zur Kurzfrist-Absicherung, punktuelle Erweiterungen bei Pumpspeichern dort, wo Topographie und Genehmigungen es erlauben, sowie erste großmaßstäbliche Saisonlösungen mit Wasserstoff in Salzkavernen. Für Deutschland geben Expertenschätzungen Zubaupfade vor, die Batteriespeicher in den kommenden Jahren signifikant erhöhen und Wasserstoffspeicher für saisonale Lücken aufbauen.
Technologieentwicklung wird die Kostenbalance verschieben: Batteriekosten fallen weiter, Elektrolyseure werden effizienter, und die Integration in Sektoren wie Industrie oder Wärme schafft zusätzliche Nachfrage nach gespeicherter Energie. Trotzdem bleibt der Knackpunkt die Infrastruktur: Netzausbau und Gaskavernen-Umrüstung benötigen Zeit und klare Investitionssignale.
Für Haushalte und Kommunen heißt das konkret: Weitere Investitionen in Photovoltaik und lokale Speicher können die lokale Versorgungssicherheit erhöhen. Auf Systemebene wird es notwendig sein, Marktregeln so anzupassen, dass Speicher Einnahmen aus mehreren Dienstleistungen erzielen können. Politisch wirksame Maßnahmen könnten beschleunigte Genehmigungsverfahren für Infrastruktur, Förderinstrumente für PtG-Projekte und verbindliche Speicherziele sein.
Insgesamt reduziert ein gut koordinierter Ausbau der Speicherflotte die Abhängigkeit von fossilen Kraftwerken deutlich — komplett ersetzen lassen sie sich in vielen Szenarien erst, wenn parallel Netze, Sektorenkopplung und Nachfrageflexibilität weiterentwickelt werden.
Fazit
Stromspeicher sind kein einzelnes Allheilmittel, aber unverzichtbar für den Übergang zu einer erneuerbaren Stromversorgung. Kurzfristig übernehmen Batteriespeicher viele Aufgaben, Pumpspeicher sichern mittelfristig ab, und Wasserstoff bietet das Potenzial für saisonale Puffer. Entscheidend ist nicht allein das technische Potenzial, sondern auch politische Rahmenbedingungen, Finanzierung und Netzinfrastruktur. Wenn diese Komponenten zusammenwirken, werden fossil befeuerte Anlagen seltener benötigt und können stufenweise aus dem Markt treten.
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