Wie sicher sind erneuerbare Energien im Winter?
Im Jahr 2025 zeigen Analysen, dass erneuerbare energien winterlich betrachtet besonders planungsintensiv sind: Solar liefert im Winter deutlich weniger, Wind schwankt regional, und längere Phasen mit niedriger Erzeugung — sogenannte Dunkelflauten — stellen das System auf die Probe. Dieser Text erklärt, warum das so ist, welche technischen und marktlichen Antworten existieren und wie viel Speicher, Netze und flexible Erzeugung nötig sind, damit Strom auch an kalten Tagen sicher zur Verfügung steht.
Einleitung
Strom kommt heute nicht mehr nur aus einzelnen Kraftwerken, sondern aus vielen Quellen: Windparks, Solaranlagen, Biomasse oder konventionellen Kraftwerken. Im Sommer fällt Photovoltaik oft stark ins Gewicht, im Winter stehen andere Faktoren im Vordergrund. Gerade in kalten Monaten steigt der Bedarf, etwa durch Heizen mit Wärmepumpen und höherer Beleuchtung, während die Sonne weniger liefert. Gleichzeitig können lange, windarme Perioden auftreten, die das gesamte System belasten. Dieser Artikel zerlegt die Technik und die Entscheidungen dahinter Schritt für Schritt und zeigt, welche Maßnahmen in der Praxis bereits greifen und welche noch fehlen.
Warum erneuerbare energien im Winter eine besondere Herausforderung sind
Die beiden wichtigsten Erzeuger erneuerbarer Energie in Deutschland sind Wind und Solar. Wind liefert oft im Herbst und Winter viel Strom, Photovoltaik dagegen im Sommer. Trotzdem treten im Winter sogenannte Dunkelflauten auf: mehrtägige Phasen mit wenig Wind und wenig Solarertrag. Solche Ereignisse führen dazu, dass kurzfristig deutlich weniger erneuerbare Energie verfügbar ist als das Jahresmittel erwarten lässt.
Technisch betrachtet ist das Problem nicht nur die Menge an Energie, sondern die Form ihrer Verfügbarkeit: Solar ist vorhersehbar am Tag, Wind schwankt stärker. Für die Versorgungssicherheit zählen aber zwei Dinge: Energiemenge über Tage (wie viel kWh insgesamt) und Leistung in Spitzenstunden (kW oder GW). Dunkelflauten reduzieren beides.
“Dunkelflauten machen deutlich: Ausbau allein reicht nicht. Netz, Speicher und flexible Kapazitäten müssen zusammen geplant werden.”
Es gibt unterschiedliche Speichertechnologien mit verschiedenen Zeithorizonten. Kurzfristige Batteriespeicher (Megawattstunden bis einzelne Gigawattstunden) helfen, Netzspitzen zu glätten. Pumpspeicherkraftwerke können Tage abdecken. Langfristige Lösungen wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe sind nötig, um mehrere Wochen oder Saisons zu überbrücken.
Eine kompakte Übersicht:
| Merkmal | Typische Antwort | Relevante Größenordnung |
|---|---|---|
| Kurzfristige Schwankungen | Batterien, Laststeuerung | MW–GWh (Batterien: aktuell rund 2,4 GW / 3,2 GWh betrieben) |
| Mehrtagige Dunkelflauten | Pumpspeicher, Netzimporte, flexible Gasturbinen | Tage bis Wochen |
| Saisonale Speicherung | Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe | Wochen bis Monate (Modelle sprechen von hohen TWh-Bedarfen in Zukunft) |
Aktuelle Analysen (Fraunhofer ISE, IEA, Bundesnetzagentur) zeigen: Erneuerbare können die Mehrheit des Stroms liefern — in Deutschland lagen sie bei rund 55 % Anteil im Jahr 2024 —, aber Netz- und Speicherausbau sind nötig, damit das auch in extremen Winterszenarien verlässlich bleibt.
Wie das im Alltag spürbar wird
Für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher bleibt der Wechsel zum erneuerbaren Strom alltagsunsichtbar: Steckdose, Licht und Aufladen funktionieren wie gewohnt. Die Effekte zeigen sich häufiger indirekt: In Zeiten niedriger Erzeugung steigen die Strompreise an der Börse, das kann Unternehmen und Energieversorger treffen und sich langfristig auf Stromtarife auswirken.
Konkrete Beispiele: In Wintern mit Dunkelflauten kam es in den letzten Jahren zu starken Preisspitzen an einzelnen Tagen. Diese Spitzen entstehen, weil kurzfristig zusätzliche konventionelle Kraftwerke oder Importe benötigt werden. Haushalte mit variablen Tarifen können das spüren, Gewerbekunden eher durch gestiegene Beschaffungskosten.
Auch politische Maßnahmen wirken sich im Alltag aus. Ausbau von Ladestationen, Förderprogramme für Wärmepumpen oder die Förderung von Heim-Batteriesystemen zielen nicht allein auf CO2-Reduktion, sondern auch auf Flexibilität. Smart-Meter und Lastmanagement helfen, Verbrauch in günstige Phasen zu verlagern. Für ein Quartier kann das bedeuten: weniger Belastung des lokalen Netzes und stabilere Kosten.
Für Kommunen und Betreiber von Gebäuden gilt: Einzelne Maßnahmen wie Gebäudedämmung oder effizientere Heizung reduzieren die Winterlast und verringern damit den Druck auf das Gesamtsystem. Solche Effizienzmaßnahmen sind oft günstiger als große Speicherinvestitionen und helfen sofort.
Chancen, Risiken und Konfliktlinien
Erneuerbare Energien bringen klare Vorteile: geringe marginale Erzeugungskosten, niedrige direkte CO2-Emissionen und eine zunehmende Unabhängigkeit von Brennstoffimporten. Zugleich entstehen Zielkonflikte bei Flächen, Netzausbau und öffentlicher Akzeptanz. Windparks in Norddeutschland können im Winter viel Strom erzeugen, müssen aber in den Süden transportiert werden. Netzausbau stößt oft auf lokale Widerstände.
Ein weiteres Spannungsfeld ist der Zeitrahmen: Kurzfristige Lösungen zur Versorgungssicherheit können fossile Gasturbinen benötigen, die politisch unerwünscht sind. Langfristig sollen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe die Lücke schließen, doch ihre Produktion erfordert große Mengen erneuerbarer Energie und Infrastruktur. Dabei entsteht eine Debatte über heimische Produktion versus Importe.
Risiken technischer Art betreffen die Stabilität eines Netzes mit hohem Anteil leistungselektronischer Erzeuger. Mehr Stromrichter im System verändern die Frequenz- und Spannungsführung; Netzbetreiber fordern deshalb gezielte Maßnahmen, etwa Grid-Forming-Regelungen und zusätzliche Reservekapazitäten.
Schließlich ist da die ökonomische Unsicherheit: Speicher und Netzausbau sind teuer. Studien weisen jedoch darauf hin, dass kombinierte Strategien aus Effizienz, Flexibilisierung und gezieltem Ausbau die Kosten deutlich senken können. Kurzfristig können Preisspitzen auftreten; das ist zwar keine direkte Gefahr für die physische Versorgung, wohl aber für die Marktstabilität.
Was sich in den nächsten Jahren verändert
Die Forschung und die Netzwirtschaft arbeiten an mehreren Hebeln gleichzeitig. Erstens: schnellerer Netzausbau, damit Strom von Regionen mit Überschuss zu Orten mit Bedarf fließen kann. Zweitens: Ausbau unterschiedlicher Speicherformen — Batteriespeicher für Stunden, Pumpspeicher und Wasserstoff für längere Zeiträume. Drittens: Marktregeln, die Flexibilität belohnen, etwa Kapazitätsmechanismen oder Direktvermarktung von Flexibilität.
Technisch werden Elektrolyseure zunehmend netzdienlich betrieben, also nicht nur zur Wasserstoffproduktion bei günstigen Preisen, sondern so gesteuert, dass sie Lastspitzen abfedern. Auch Sektorkopplung — das Zusammenspiel von Strom, Wärme und Verkehr — hilft, saisonale Lasten zu verschieben und zu senken.
Modelle etablierter Institute prognostizieren, dass mit genügend Ausbau und passenden Marktregeln erneuerbare Energien auch in kalten Wintern die Hauptlast tragen können. Gleichzeitig bleibt der Übergang ein Balanceakt: Genügend kurzfristige Reservekapazität, eine robuste Netzinfrastruktur und internationale Kooperation sind nötig, um längere Dunkelflauten sicher zu überbrücken.
Für lokale Entscheiderinnen und Entscheider bedeutet das: Investitionen in Gebäudeeffizienz und flexible Lasten reduzieren die Spitzenlast und sind eine kosteneffiziente Ergänzung zu großen Infrastrukturprojekten.
Fazit
Erneuerbare Energien sind im Winter leistungsfähig, gleichzeitig aber anfälliger für mehrtägige Produktionslücken als im Sommer. Die Lösung liegt nicht in einer einzigen Technologie, sondern in einem System aus verschiedenen Bausteinen: mehr Übertragungsleitungen, eine Mischung aus Kurz- und Langzeitspeichern, marktlicher Anreize für Flexibilität und Effizienzmaßnahmen, die den Bedarf reduzieren. Mit dieser Kombination lässt sich Versorgungssicherheit auch in kalten Monaten nachhaltig gewährleisten, ohne neue, lang laufende Abhängigkeiten zu schaffen.
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