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Sustainable Aviation Fuel: Warum klimafreundlicheres Fliegen schwer skalierbar ist


Sustainable Aviation Fuel ist der wichtigste nicht-technische Hebel der Luftfahrt zur Emissionsminderung – und gleichzeitig knapp und teuer. Das Abstract erklärt, warum die Produktion begrenzt ist, welche regulatorischen Vorgaben wie die ReFuelEU‑Quote von 2 % ab 2025 wirken und welchen Einfluss Preise und Rohstoffe auf Verfügbarkeit haben. Leserinnen und Leser erhalten eine pragmatische Einordnung, wie viel SAF realistisch zur Verfügung steht und welche Hindernisse eine schnelle Skalierung bremsen.

Einleitung

Flugreisen stehen verstärkt in der Kritik, weil ihre CO₂‑Emissionen schwer zu senken sind. Sustainable Aviation Fuel soll hier abmildern: Er ersetzt fossiles Kerosin, lässt sich oft in bestehenden Flugzeugen nutzen und reduziert die Lebenszyklus‑Emissionen je nach Verfahren deutlich. Gleichzeitig ist die Menge, die heute zur Verfügung steht, winzig im Vergleich zum Gesamtbedarf der Branche. Die EU hat mit ReFuelEU verbindliche Quoten festgelegt, weil Regulierung Nachfrage schafft, doch die Industrie fragt sich: Woher sollen die Millionen Tonnen kommen, die nötig wären, um einen spürbaren Effekt zu erzielen?

Anhand einfacher Zahlen, pragmatischer Beispiele und einer klaren Einordnung soll dieser Text zeigen, warum der Übergang zu klimafreundlicherem Fliegen ein langsamer, teurer Prozess ist – und welche Hebel existieren, damit SAF langfristig bezahlbarer und verfügbarer wird.

Was ist Sustainable Aviation Fuel?

Sustainable Aviation Fuel bezeichnet eine Gruppe von Treibstoffen, die fossiles Kerosin teilweise oder vollständig ersetzen können. Es gibt verschiedene Herstellungswege: Pflanzenöl‑Basierte Verfahren (HEFA), thermochemische Routen wie Fischer‑Tropsch (FT) aus Biomasse oder Abfall, und synthetische Kraftstoffe, die aus CO₂ und grünem Wasserstoff erzeugt werden (Power‑to‑Liquid, kurz PtL). Jeder Weg hat eigene Vor‑ und Nachteile in Bezug auf Kosten, Ressourcenbedarf und Klimabilanz.

Ein wichtiger Punkt: SAF ist kein einzelnes Produkt mit festen Eigenschaften. Stattdessen gelten strenge Normen (zum Beispiel ASTM D7566), die garantieren, dass die Mischung mit herkömmlichem Jetfuel im Flugzeug technisch funktioniert. Der Vorteil für Airlines ist, dass viele SAF‑Typen in bestehenden Triebwerken verwendet werden können, meist als Beimischung zum normalen Kerosin.

SAF ist technisch meist kompatibel mit heutigen Flugzeugen, die Herausforderung liegt nicht im Tank, sondern in Produktion und Kosten.

Die EU‑Verordnung ReFuelEU definiert, welche Kraftstoffe als SAF anerkannt sind und legte z. B. eine Quote von 2 % für 2025 fest. Diese Verordnung stammt aus dem Jahr 2023 und ist damit älter als zwei Jahre; sie bleibt dennoch die wichtigste rechtliche Grundlage in Europa.

Wenn Zahlen helfen: Die weltweite SAF‑Produktion lag 2024 im niedrigen Millionen‑Liter‑Bereich (rund 1 Mio. Tonnen bzw. einige Milliarden Liter), das ist noch deutlich weniger als der Gesamtbedarf an Jetfuel. Politische Vorgaben erhöhen die Nachfrage, aber ohne zusätzliche Anlagen bleibt die Verfügbarkeit begrenzt.

SAF im Flugalltag: Wie und wo wird es genutzt?

In der Praxis kommt SAF meist als Mischung mit konventionellem Kerosin ins Flugzeug. Beimischungen von 10 % oder weniger sind technisch unproblematisch. Flughäfen, Treibstofflieferanten und Airlines müssen logistische Abläufe koordinieren: SAF wird an Tankstellen angeliefert, ins Lager gemischt und über die normale Versorgungskette an die Flugzeuge verteilt. Für Passagiere ändert sich nichts, für Betreiber steigen Planung und Aufwand.

Ein konkretes Beispiel: Eine Route mit 200 Passagieren und einem Kurzstreckenflug verbraucht vielleicht einige Tonnen Kerosin. Wenn an einem europäischen Flughafen eine 2 %‑Quote gilt, erhöht sich der Anteil SAF an der gelieferten Menge, die konkret verfügbare Menge bleibt aber von der regionalen Produktion abhängig. Airlines mit langfristigen Abnahmeverträgen (Offtake) sichern sich Vorräte, andere kaufen Zertifikate, die den Einsatz von SAF virtuell nachweisen.

Praktisch wichtig ist: Eine Beimischung von SAF reduziert die CO₂‑Bilanz des Fluges proportionell zur Beimischungsrate und zur jeweiligen Lebenszyklusanalyse des eingesetzten SAF‑Typs. HEFA‑SAF aus Altölen kann zum Beispiel rund 60–80 % Lebenszykluseinsparung bringen; PtL‑SAF kann bei Nutzung von erneuerbarem Strom noch höhere Einsparungen erzielen, ist aber derzeit teurer.

Logistische Engpässe entstehen vor allem dort, wo die Lieferkette lang und die Infrastruktur gering ist. Große Hubs haben Vorteile: sie bündeln Nachfrage, dort lohnt sich der Aufbau von Lagerkapazität und direkten Lieferverträgen eher als an kleineren Flughäfen.

Warum sind Produktion und Preise das Problem?

Drei Faktoren dominieren die Realität: Rohstoffe, Investitionskosten und Energiebedarf. Viele SAF‑Verfahren benötigen spezielle Rohstoffe wie gebrauchte Pflanzenöle oder organische Abfälle. Diese Rohstoffe sind begrenzt und konkurrieren mit anderen Märkten, etwa Biodiesel. Das limitiert kurzfristig die Produktionsmenge.

Hinzu kommen hohe Anfangsinvestitionen für Produktionsanlagen. Eine Großanlage kostet oft mehrere hundert Millionen US‑Dollar. Solange die Nachfrage klein ist, bleiben die Anlagen unterausgelastet, die Produktionskosten pro Liter bleiben hoch. Das erklärt, warum SAF heute oft das Zwei‑ bis Fünffache des Preises von fossilem Kerosin kostet. Für synthetische PtL‑Kraftstoffe, die CO₂ mit grünem Wasserstoff verbinden, sind die Stromkosten der dominierende Treiber – hier sind die Kosten noch höher.

Marktmechanik spielt ebenfalls eine Rolle: Regulatorische Quoten wie die EU‑Vorgabe schaffen eine Mindestnachfrage, doch sie sorgen gleichzeitig für einen Preisaufschlag, solange Angebot fehlt. Airlines können Mehrkosten über Ticketpreise, Frachtraten oder interne Kompensationsmechanismen weitergeben, doch auf breiter Basis ist das nicht langfristig tragbar.

Ein weiterer Aspekt sind Zertifikate und Nachhaltigkeitsanforderungen: Nicht jeder biobasierte Kraftstoff zählt gleichermaßen als klimafreundlich. Strenge Nachhaltigkeitsanforderungen schränken die verwendbaren Rohstoffe ein, senken damit die Menge an eligible SAF und erhöhen den Preis der zugelassenen Kraftstoffe.

Ergebnis: Ohne klaren Ausbaupfad für Feedstocks, gezielte Investitionsanreize und sinkende Kosten für grünen Strom bleibt SAF knapp und teuer – ein klassisches Chicken‑and‑Egg‑Problem zwischen Investoren, Politik und Industrie.

Wie könnte die Versorgung wachsen?

Mehrere Hebel lassen sich unterscheiden: Rohstoffdiversifikation, Subventionen und technologische Skalierung. Rohstoffdiversifikation bedeutet, Wege zu finden, die nicht allein auf gebrauchten Pflanzenölen basieren: Abfallholz, Reststoffe aus der Landwirtschaft oder CO₂‑basierte PtL‑Verfahren können helfen, langfristig mehr Volumen bereitzustellen.

Politische Maßnahmen beschleunigen das Wachstum. Neben Quoten wie ReFuelEU sind direkte Fördermaßnahmen, Steuergutschriften oder Preisstützungen nötig, um Investoren zu überzeugen. Internationale Koordination ist wichtig, weil Flugrouten oft mehrere Rechtsräume durchlaufen und Produzenten wie Konsumenten in verschiedenen Regionen verteilt sind.

Technologieeffekte sind der dritte Baustein: Mit größerer Produktion fallen die Stückkosten. Elektrolyse für grünen Wasserstoff wird effizienter, CO₂‑Abscheidung günstiger, und Anlagen können im Lauf der Zeit optimiert werden. Prognosen zeigen, dass Kosten für einige SAF‑Routen bis 2030 deutlich fallen könnten, wenn das nötige Volumen erreicht wird.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet ein realer Ausbau: Tickets würden nicht sofort drastisch teurer, weil die Mehrkosten gestaffelt und regional unterschiedlich verteilt würden. Auf gesellschaftlicher Ebene bleibt jedoch eine Debatte nötig, wie viel Klimaschutz über SAF, wie viel über Verhaltensänderungen und wie viel über Kompensation gehen soll.

Fazit

Sustainable Aviation Fuel ist ein unverzichtbarer Baustein für weniger CO₂ in der Luftfahrt, doch die heutigen Mengen sind zu klein und zu teuer, um kurzfristig die Emissionen der Branche zu lösen. Regulatorische Vorgaben wie die ReFuelEU‑Quote setzen wichtige Signale, sie reichen aber allein nicht. Entscheidend sind größere Investitionen in Produktionsanlagen, eine breitere Rohstoffbasis und günstigere erneuerbare Energie für synthetische Verfahren. Nur so lassen sich Angebot, Preis und Volumen langfristig in Einklang bringen.


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