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Second-Life-EV-Batterien: So werden alte Akkus zu Stromspeichern



Second-Life-Batterien sind gebrauchte E‑Auto-Akkus, die nach dem Fahrzeugeinsatz weiter als stationäre Energiespeicher dienen. Dieses Konzept senkt Kosten, spart Rohstoffe und kann lokale Stromversorgung stabilisieren. Der Text erklärt, wie Second-Life-Batterien technisch bewertet werden, welche Anwendungen im Haushalt und Netz sinnvoll sind und welche Regeln und Marktfaktoren wichtig sind. Second-Life-Batterien werden dabei als pragmatische Ergänzung zu Recycling und Neubatterien eingeordnet.

Einleitung

Viele E‑Autobatterien haben nach acht bis zehn Jahren im Fahrzeug noch ausreichend Kapazität, um Energie zu speichern — nur nicht mehr auf dem Niveau, das für dynamisches Fahren nötig ist. Statt die Akkus sofort zu recyceln, kann man sie für stationäre Speicher weiterverwenden: in Haushalten, bei Solaranlagen oder als Puffer im Stadtteil. Das reduziert Rohstoffbedarf und kann Stromkosten senken. Zugleich entstehen praktische Herausforderungen: Wie bewertet man Restgesundheit, wie sicher ist der Einsatz, und wie rechnet sich ein Heimspeicher aus gebrauchten Akkus im Vergleich zu neuen Systemen?

Berichte von internationalen Agenturen und Forschungseinrichtungen zeigen, dass Second‑Life-Projekte technisch machbar sind und in Pilotprojekten schon funktionieren. Regulierung und Wirtschaftlichkeit bestimmen jedoch, ob Second‑Life langfristig in nennenswertem Maßstab genutzt wird. Dieser Text ordnet Befunde ein, nennt aktuelle Studien und zeigt Beispiele, die direkt zeigen, wie alte Akkus erneut Nutzen stiften können.

Wie Second-Life-Batterien funktionieren

Eine Lithium‑Ionen‑Batterie verliert mit der Zeit an nutzbarer Kapazität. Wenn ein Fahrzeugakku nach einigen Jahren noch rund 70 % bis 80 % seiner ursprünglichen Kapazität hat, gilt er oft als technisch geeignet für stationäre Anwendungen. Dort sind Lade- und Leistungsanforderungen weniger hoch als im Auto, deshalb reicht die verbleibende Kapazität meist aus.

Entscheidend ist nicht nur die verbliebene Energiemenge, sondern die dokumentierte Historie: Wie oft wurde geladen, wie warm war die Batterie im Betrieb und wie ist der interne Widerstand?

Vor einer Wiederverwendung wird die Batterie geprüft, sortiert und oft neu konfiguriert. Prüfverfahren messen State of Health (SoH), Innenwiderstand und Zellgleichgewicht. Anschließend werden Module aus dem Batteriepaket entnommen und in ein neues Gehäuse eingebaut oder als Teil eines modularen Systems genutzt.

Technisch unterscheidet man grob zwei Wege: Erstens: Direktes “Reuse” als komplettes Modul oder Paket mit wenig Umbau. Zweitens: Zerlegung in Module und Neuzusammenbau zu einem Speicher mit passender Leistungselektronik. Beide Ansätze benötigen Tests, Sicherheitsmaßnahmen und Informationen aus dem sogenannten Battery Passport, der künftig wichtige Laufzeit‑ und Zustandsdaten enthält.

Eine kompakte Tabelle macht die Unterschiede und typischen Werte klar:

Merkmal Beschreibung Wert
State of Health (SoH) Verhältnis der verbleibenden Kapazität zur Nennkapazität 70 %–80 %
Hauptanwendung Stationäre Speicherung für PV‑Integration, Netzpuffer 4–10 h Entladezeit
Sicherheitsprüfung SoH, Innenwiderstand, Zellimbalancen, thermische Tests Standardisiert notwendig

Wichtig ist: Viele Studien und Berichte, etwa von IEA, sehen Second‑Life als Ergänzung zur Batterieversorgung, nicht als alleinige Lösung. Prüf‑ und Dokumentationspflichten sind zentral, weil sie Auskunft über Sicherheit und verbleibende Lebensdauer geben.

Second-Life im Alltag: Heimspeicher und Quartierslösungen

In der Praxis finden Second‑Life‑Systeme heute drei typische Anwendungsfelder: als Heimspeicher unter Photovoltaik‑Anlagen, als Puffer für Gewerbegebäude und als Gemeinschaftsspeicher für Quartiere oder Ladeinfrastruktur. Für Hauseigentümer kann ein gebrauchter Akku die Anschaffungskosten reduzieren, weil gebrauchte Zellen günstiger sind als neue Systeme.

Ein einfaches Beispiel: Eine Photovoltaik‑Anlage erzeugt tagsüber Strom, den das Haus nicht vollständig verbraucht. Ein Second‑Life‑Heimspeicher nimmt überschüssige Energie auf und gibt sie abends wieder ab. Das spart Netzbezug und kann die Autarkie steigern — meist jedoch weniger effizient und mit kürzerer Restlebensdauer als ein neuer Heimspeicher.

Pilotprojekte in Europa zeigen, dass solche Systeme technisch funktionieren und lokale Lastspitzen glätten können. Hersteller und Netzbetreiber nutzen Second‑Life‑Speicher auch, um kurzfristige Flexibilität bereitzustellen: Das hilft, erneuerbare Einspeisung zu integrieren und Frequenz‑ bzw. Spannungsschwankungen abzufangen.

Wirtschaftlich hängt der Vorteil von mehreren Faktoren ab: dem Kaufpreis des Second‑Life‑Systems, den erwarteten Zyklen, der verbleibenden Kapazität und den örtlichen Strompreisen. Manche Studien schätzen, dass Second‑Life‑Speicher günstiger sein können als neue Systeme, in anderen Fällen ist der Mehraufwand für Tests und Zertifizierung so hoch, dass der Preisvorteil schwindet.

Für Gemeinden und Quartiere bieten Second‑Life‑Sammelspeicher eine zusätzliche Option: Anstatt ein großes neues Batteriesystem zu bauen, können mehrere gebrauchte Akkupakete modular zusammengeschaltet werden. Das reduziert initiale Investitionskosten und fördert lokale Kreislaufwirtschaft, verlangt aber koordinierte Betriebsführung.

Chancen und Risiken

Second‑Life eröffnet klare Chancen: geringerer Rohstoffbedarf, Verlängerung der Nutzungsdauer von Batterien und Kostensenkung bei stationären Speichern. Auf Systemebene kann Second‑Life dabei helfen, die Integration von Solar‑ und Windstrom zu verbessern und kurzfristige Netzservices günstiger bereitzustellen.

Risiken bestehen auf technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Ebenen. Technisch sind Unsicherheiten in der Alterung und in der Variabilität zwischen Zellen zentral: Nicht alle gebrauchten Akkus sind gleich, und ohne standardisierte Tests bleibt ein Restunsicherheitsfaktor. Ökonomisch können aufwändige Prüfverfahren und Umbauten den Preisvorteil schmälern.

Regulatorisch wirkt die neue EU‑Batterieverordnung richtungsweisend: Sie fordert Dokumentation und Mindestanforderungen für Second‑Life-Anwendungen und etabliert den Battery Passport. Das schafft mehr Transparenz, kann aber auch administrative Hürden für kleine Anbieter erzeugen.

Ein weiteres Spannungsfeld ist Recycling versus Second‑Life. Recycling gewinnt, wenn effiziente Verfahren wirtschaftlich werden; Second‑Life gewinnt, wenn Verlängerung der Nutzungsdauer insgesamt nachhaltiger ist. Beides ist wichtig: Second‑Life verschiebt den Recyclingzeitpunkt, reduziert aber nicht die Notwendigkeit, am Ende hochwertig zu recyceln.

In Summe sind die Chancen hoch, doch ihr realer Umfang hängt von standardisierten Prüfverfahren, klaren Haftungsregeln und wirtschaftlich praktikablen Geschäftsmodellen ab. Studien, wie jene des Fraunhofer ISI aus 2022, geben Hinweise auf Potenziale, sind aber älter als zwei Jahre und müssen mit aktuellen Marktdaten abgeglichen werden.

Regeln, Markt und was als Nächstes kommt

Die EU hat mit der Batterieverordnung bereits einen Rahmen gesetzt: Hersteller müssen künftig Daten bereitstellen und Tests dokumentieren. Der sogenannte Battery Passport soll relevante Lebenszyklusdaten enthalten und ist ein zentraler Baustein, um Vertrauen in Second‑Life‑Systeme zu schaffen.

Internationale Szenarien beschreiben ein wachsendes Marktvolumen: Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet mit deutlich wachsender Second‑Life‑Kapazität in den nächsten Jahren. Solche Prognosen sind szenariobasiert, zeigen aber die Richtung: mehr Pilotprojekte, mehr Investitionen in Bewertungs‑ und Prüfverfahren und sukzessive Skalierung.

Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das: Es wird künftig klarere Angebote geben, standardisierte Prüfberichte und bessere Vergleichbarkeit zu neuen Heimspeichern. Für Unternehmen heißt es, Investitionen in Testlabore, Zertifizierungen und digitale Dokumentation zu priorisieren.

Praktisch könnten sich drei Entwicklungen durchsetzen: Erstens, Sekundärmärkte mit zertifizierten Second‑Life‑Systemen für Haushalte; zweitens, modulare Quartiersspeicher, die aus zusammengeschalteten gebrauchten Akkupaketen bestehen; drittens, ein stärkeres Zusammenspiel mit Recycling: Wenn Recyclingpreise sinken, konkurriert das mit Second‑Life um verfügbare Ressourcen.

Wer jetzt plant, eine Solaranlage mit Speicher zu betreiben, kann Second‑Life als Option prüfen, sollte aber auf geprüfte Zertifikate und klare Leistungsangaben bestehen. Die regulatorische Entwicklung schafft in den kommenden Jahren mehr Transparenz — und damit eine bessere Grundlage für Verbrauchsentscheidungen.

Fazit

Second‑Life-Batterien bieten eine realistische und praktische Möglichkeit, die Lebensdauer von E‑Auto‑Akkus zu verlängern und gleichzeitig Kosten und Rohstoffverbrauch zu senken. Technisch sind viele Hürden lösbar: Prüfverfahren, Sicherheitstests und digitale Batteriedokumentation sind heute die entscheidenden Stellschrauben. Wirtschaftlich hängt der Vorteil von konkreten Preisen und Zertifizierungsaufwand ab. Regulatorische Schritte der EU sorgen für mehr Transparenz und könnten Second‑Life‑Anwendungen wettbewerbsfähiger machen. Insgesamt sind gebrauchte E‑Autobatterien eine sinnvolle Ergänzung zu Recycling und Neuanlagen — kein vollständiger Ersatz, aber ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und zur Integration erneuerbarer Energien.


Diskutieren Sie gern Ihre Erfahrungen mit Heimspeichern und teilen Sie diesen Artikel, wenn er neue Einsichten brachte.


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