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Neue Molekülstruktur erhöht Effizienz von Tandem‑Solarzellen – was das bedeutet



Forscherinnen und Forscher beschrieben eine veränderte Molekülstruktur, die die Effizienz von Tandem‑Solarzellen messbar erhöht. Die neue Schicht verbessert die Ladungsextraktion und die Passivierung an der Grenzfläche, was bei Perovskit‑Silizium‑Tandems zu höheren zertifizierten Wirkungsgraden und besserer Kurzzeit‑Stabilität führte. Für Projektplaner und Anwender bedeutet das: mehr Strom pro Quadratmeter und eine schnellere Reduktion der Stromgestehungskosten, sofern Langzeittests und industrielle Skalierung folgen.

Einleitung

Die jüngste Studie aus einem deutschen Universitätslabor beschreibt ein vergleichsweise kleine, aber wirkungsvolle Detail: eine neue, brom‑funktionalisierte Molekülschicht als Kontakt in Perovskit‑Silizium‑Tandemzellen. Auf den ersten Blick ist das eine Laborinnovation, doch der praktische Nutzen ist konkret. Solche Schichten können Defekte an rauen Siliziumoberflächen passivieren, die elektrische Verbindung zwischen Perovskit‑Topzelle und Siliziumbasis verbessern und so mehr Strom aus derselben Fläche holen. Das ist wichtig, weil in Europa Flächen knapp und Netzanbindungen teuer sind. Wenn die Laborerfolge in industrielle Prozesse überführt werden, bedeutet das für Anlagenbauer und Kommunen: mehr Strom aus vorhandenen Dach‑ und Freiflächen und potenziell niedrigere Stromgestehungskosten.

Der Text erklärt, wie die Molekül­änderung auf der �Kinder­seite� der Zelle wirkt, wie Hersteller das in Produktionsschritten nutzen könnten und welche Prüfungen noch nötig sind, bevor sich die Technologie auf Dächern und Solarparks ausbreitet. Dabei verknüpfe ich Laborbefunde mit praktischen Beispielen und zeige auf, welche Fragen Stadtwerke, Projektentwickler und interessierte Lesende jetzt beobachten sollten.

Tandem‑Solarzellen: Wie die neue Molekülstruktur funktioniert

Bei Tandem‑Solarzellen stapeln zwei unterschiedliche Fotovoltaik­materialien ihre Stärken: Ein oberes Material (häufig Perovskit) nutzt kurzwelliges Licht besonders gut, darunter liegendes Silizium fängt Rot‑ und Infrarotanteile effizient ab. Entscheidend für die Performance sind nicht nur die Halbleiter selbst, sondern die Grenzflächen zwischen ihnen. Dort entstehen häufig Verluste durch Fehlstellen oder ungleichmäßigen Kontakt. Eine gezielt gestaltete Molekülschicht — ein sogenannter Self‑Assembled Monolayer (SAM) — kann diese Grenzfläche elektrisch und chemisch stabilisieren.

Die beschriebene neue Struktur ist brom‑funktionalisiert: kleine Bromgruppen an organischen Molekülen verändern deren Packungsdichte und elektronische Eigenschaften. Das Ergebnis ist eine dichtere, homogenere Schicht auf texturiertem Silizium, die Defekte passiviert und den Ladungstransfer zur Elektrode erleichtert. Kurz gesagt: weniger Ladungs­verluste, bessere Extraktion und daher ein höherer nutzbarer Strom. Laborzertifizierungen nennen Effizienzverbesserungen, die sich in höheren Power Conversion Efficiencies (PCE) niederschlagen.

Diese molekulare Feinabstimmung wirkt klein — ihre Wirkung auf Grenzflächen ist jedoch groß und für Tandem‑Zellen unmittelbar relevant.

Wichtig ist: Die Messungen stammen aus kontrollierten Laborbedingungen. Sie sind belastbar und wurden in Fachpublikationen und Institutsmeldungen beschrieben, zeigen aber noch nicht die vollständige Langzeitstabilität unter Feldbedingungen. Daher ist die nächste Stufe die Anpassung der SAMs an industrielle Fertigungsprozesse und die Prüfung in standardisierten Alterungstests.

Wenn Sie mehr zur Tandem‑Technik und ihren Grundlagen suchen, bietet TechZeitGeist eine gute Übersicht zur Perovskit‑Silizium‑Tandemzelle mit Hintergrund, Praxisbeispielen und Wirtschaftszahlen.

Wie das in Produktion und Praxis wirkt

Für Anlagenbetreiber zählt am Ende: Wie viel mehr Strom liefert die Zelle, und zu welchen Kosten? Ein konkreter Effekt der verbesserten Grenzfläche ist, dass auf industriell texturiertem Czochralski‑Silizium die Perovskit‑Schicht gleichmäßiger wächst. Gleichmäßigere Schichten reduzieren Ausschuss, was die Fertigung wirtschaftlicher macht. Bei Pilotläufen und ersten Laborzertifikaten zeigten Tandem‑Zellen mit optimierten Kontakten höhere zertifizierte Wirkungsgrade — ein direkter Vorteil für die Flächenausnutzung. Mehr Wirkungsgrad bedeutet weniger Module oder mehr Leistung auf derselben Dachfläche.

Das hat zwei praktische Konsequenzen: auf Dächern mit begrenzter Fläche lässt sich mehr Eigenerzeugung erzielen; in Freiflächenparks reduziert höhere Zellleistung die benötigte Fläche pro Megawatt deutlich. Das wirkt sich auch auf Planungskosten aus: Fundament‑, Montage‑ und Kabelkosten pro erzeugter kWh sinken. Konservative Schätzungen sprechen bei einem Anstieg von 22–24 % auf 30 % Wirkungsgrad von zweistelligen Einsparungen beim LCOE (Levelized Cost of Electricity).

Hersteller stehen vor der Aufgabe, die neue SAM‑Chemie in Rollen‑oder Batch‑Prozesse zu überführen. Technisch bedeutet das: Lösungsmittel‑Kompatibilität, Beschichtungszeitfenster, Temperaturtoleranzen und Prozesskontrolle. Erste Laborteams haben gezeigt, dass die Moleküle auf texturiertem Silizium anwendbar sind, was die Chance erhöht, die Änderung in gängige Fertigungsschritte einzubauen.

Für Projektplaner wichtig: Es lohnt sich, Lieferketten und Pilotangebote zu beobachten. Einige Hersteller veröffentlichen inzwischen Module, die auf Tandem‑Prinzipien aufbauen; weiterführende, praxisnahe Diskussionen finden Sie in diesem Überblick zur Flächeneffizienz und Projektplanung bei Tandem‑PV auf TechZeitGeist: Flächenhalbierung durch Tandem‑Technik.

Chancen, Risiken und offene Prüfungen

Die Chancen sind klar: höhere Ausbeute pro Quadratmeter, geringere Fläche pro erzeugter kWh, und durch reduzierte BOS‑Anteile niedrigere Systemkosten. Das verbessert die Wirtschaftlichkeit vor allem dort, wo Fläche limitiert oder teuer ist. Außerdem öffnen effiziente Tandems neue Geschäftsfelder wie engere Integration von PV in Gebäude oder Agro‑PV‑Konzepte.

Die Risiken liegen vor allem in der Haltbarkeit und der Skalierbarkeit. Perovskit‑Materialien zeigen unter bestimmten Umwelteinflüssen schnellere Degradation als kristallines Silizium. Deshalb sind standardisierte IEC‑Zertifizierungen und Feldtests unerlässlich. Laborergebnisse zeigen Verbesserungen der Kurzzeit‑Stabilität, aber die 25‑Jahres‑Garantieanforderungen des Marktes müssen noch erfüllt werden. Weiterhin sind Materialverfügbarkeit und Recyclingkonzepte zu prüfen, damit die Umweltbilanz über den gesamten Lebenszyklus günstig bleibt.

Ein weiteres Prüfgebiet sind die Nebenwirkungen der molekularen Funktionalisierung: Manche Additive verbessern die Passivierung, können aber die Langzeitkorrosion oder Wechselwirkungen mit Encapsulants beeinflussen. Deshalb arbeiten Forscherinnen und Forscher parallel an Tests für Feuchte‑/Hitze‑Zyklen, UV‑Belastung und thermische Belastung. Erst erfolgreiche, mehrfach bestätigte Alterungsreihen führen zur Bankability.

Aus Anwendersicht ist es ratsam, Pilotverträge mit klaren Meilensteinen und Datenfreigaben zu wählen. Netzbetreiber und Projektentwickler sollten zudem flexible Monitoring‑Konzepte einplanen: Mehr Effizienz macht Anlagen wertvoller, gleichzeitig muss die Produktionserwartung verlässlich sein, damit Finanzierung und PPA‑Modelle greifen.

Wohin die Forschung und Industrie jetzt steuern

Die aktuelle Entwicklung ist ein Beispiel für incremental‑Engineering mit hoher Hebelwirkung: Molekulare Anpassungen an der Kontaktzone verbessern eine Schlüsselkomponente des Gesamtsystems. Kurzfristig stehen auf der Agenda: Reproduzierbarkeit über mehrere Wafercharge‑Zyklen, Anpassung an industrielle Beschichtungsverfahren und Folgeprüfungen in Feldtests.

Mittelfristig ist die Frage der Skalierung entscheidend. Forschungs‑ und Pilotprojekte laufen bereits in Partnerschaften zwischen Hochschulgruppen und Industriepartnern. Förderprogramme unterstützen Pilotlinien, und erste Hersteller arbeiten an Demonstrationsfabriken. Entscheidend ist, dass Produzenten Standardprozesse entwickeln, die mit vorhandenen Silizium‑Produktionslinien kompatibel sind, um teure Umbauten zu vermeiden.

Längerfristig können verbesserte Grenzflächentechnik und robustere Perovskit‑Rezepturen Tandems zu einer breiten Marktoption machen. Das Ziel ist, die Lebensdauer so zu erhöhen, dass Module 25 Jahre und mehr in klarem Renditeprofil leisten — nur dann werden Tandem‑Module in großen Mengen für Projekte mit Bankenfinanzierung interessant.

Für Leserinnen und Leser, die im Energiesektor tätig sind: Beobachten Sie Zertifizierungs‑Updates, Pilotprojekt‑Ergebnisse und frühe kommerzielle Angebote. Für die breite Öffentlichkeit gilt: Effizienzgewinne bedeuten in Zukunft praktisch mehr sauberen Strom pro Dach und weniger Flächenverbrauch — ein konkreter Beitrag zur Emissionsminderung.

Fazit

Die neue molekulare Kontaktarchitektur ist kein endgültiger Schritt zur Marktreife, aber ein wichtiger: Sie beseitigt einen der praktischen Engpässe von Tandem‑Zellen, nämlich die unrechtmäßigen Verluste an rauen Siliziumoberflächen. In Laboren zeigen sich deutliche Effizienzgewinne und verbesserte Kurzzeit‑Stabilität; die nächsten Monate werden zeigen, ob diese Vorteile industriell reproduzierbar und langfristig belastbar sind. Für Projektentwickler und Kommunen bleibt entscheidend, wie schnell Hersteller zertifizierte Module liefern und wie überzeugend Alterungstests ausfallen. Gelingt die Überführung in die Massenproduktion, können mehr Strom pro Fläche, niedrigere LCOE und eine beschleunigte Dekarbonisierung die Folge sein.


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