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KI‑Boom verursacht so viel CO₂ wie eine Großstadt — was Europa tun muss



In den aktuellen Abschätzungen fallen die KI CO2-Emissionen 2025 in eine Größenordnung, die mit der Emission einer großen Stadt vergleichbar ist. Dieser Text ordnet die Zahlen ein, zeigt, woher die Emissionen kommen und welche Stellschrauben Europa hat, um den Trend zu bremsen. Er liefert konkrete Vergleiche, Praxisbeispiele aus Rechenzentren und eine Einordnung bestehender EU-Regeln zur Energie- und Abwärmenutzung.

Einleitung

Die Diskussion um künstliche Intelligenz dreht sich oft um neue Fähigkeiten von Software und Modelle. Mindestens so relevant, aber seltener im Blickfeld, ist der Energiebedarf hinter diesen Fähigkeiten: Millionen Anfragen an Sprachassistenten, Bildgenerierung oder personalisierte Dienste laufen in Rechenzentren ab. Wenn man die Summe all dieser Workloads betrachtet, entsteht ein deutliches CO₂‑Volumen — so groß, dass es in einem jüngeren Bericht mit den jährlichen Emissionen einer Großstadt verglichen wurde. Für Europa hat das Folgen: Netzlast, Wasserverbrauch und die Frage, ob die digitale Entwicklung mit Klimazielen vereinbar bleibt.

KI CO2-Emissionen: Worum geht es?

Unter KI CO2-Emissionen verstehen Expertinnen und Experten die Treibhausgase, die durch Rechenleistung, Kühlung und die Stromerzeugung für KI‑Systeme entstehen. Das betrifft drei Ebenen: die Entwicklung großer Modelle (Training), den laufenden Betrieb (Inference), und die Infrastruktur wie Rechenzentren, Netz und Kühlung. Aktuelle Schätzungen für 2025 zeigen: Die Bandbreite ist groß, doch der mittlere Bereich landet bei mehreren zehn Millionen Tonnen CO₂‑Äquivalent – eine Größenordnung, die mit großen Städten vergleichbar ist.

Neuere Analysen nennen für 2025 Schätzwerte im Bereich von grob 30 bis 80 Mio. t CO₂‑Äq., abhängig von Methodik und Datengrundlage.

Warum sind die Spannen so groß? Das liegt an mangelnder Transparenz: Betreiber veröffentlichen selten Workload‑spezifische Zahlen, Strommixe oder Abwärmenutzungsraten für einzelne Dienste. Methoden wechseln zwischen hochgerechneten Annahmen und firmeneigenen Berichten. Trotzdem lässt sich vergleichen: Eine grobe Einordnung zeigt, wie KI im Vergleich zu anderen Sektoren steht und welche Rolle Rechenzentren dabei spielen.

Die folgende Tabelle fasst zentrale Kennzahlen zusammen, so wie sie aktuell in Fachberichten und Medienberichten genannt werden. Zahlen sind gerundet, um die Einordnung zu erleichtern.

Kennzahl Richtwert Einheit Quelle (Auswahl)
KI CO₂‑Emissionen (2025) ~33–80 Mio. t CO₂‑Äq. The Guardian, Fachberichte (2025)
Globaler Strombedarf Rechenzentren (2022) ~460 TWh IEA (2024)
Datacenter-Stromverbrauch Europa (2024) ~70 TWh EU/IEA Schätzungen (2024/25)
Beispiel: Irland (Anteil) ~21 % des nationalen Stroms Regionale Berichte (2024/25)

Die Zahlen geben keine exakte Bilanz, sie sind ein Indikator: KI‑Workloads tragen spürbar zur Gesamtnachfrage bei. Entscheidend für die Klimawirkung ist dabei der Strommix der jeweiligen Region: Strom aus Braunkohle verursacht deutlich mehr CO₂ als die gleiche Menge aus erneuerbaren Quellen.

Wie KI im Alltag Energie verbraucht

Die meisten Menschen begegnen KI täglich: Autovervollständigung, Übersetzer, Suchalgorithmen oder Bildgeneratoren. Jede Anfrage wird auf Servern verarbeitet. Bei einfachen Abfragen ist der Energiebedarf pro Anfrage gering, bei anspruchsvollen Aufgaben wie dem Generieren großer Bilder oder dem Paraphrasieren ganzer Texte fällt dagegen mehr Rechenzeit an. Hinzu kommt, dass viele Dienste ständig verfügbar sind; das summiert sich.

Man unterscheidet zwei technische Phasen: Training und Inference. Training ist der einmalige, oft sehr energieintensive Vorgang, bei dem ein Modell mit Daten „gelernt“ wird. Inference ist die tägliche Nutzung — die eigentliche Arbeit, die Nutzerinnen und Nutzer sehen. Bei modernen Sprachmodellen verschiebt sich der Großteil des Energieverbrauchs inzwischen auf die Inference, weil die Modelle sehr häufig in Betrieb sind.

In Rechenzentren fallen noch weitere Verbrauchsposten an: Kühlsysteme, Netzverluste und die Infrastruktur für Redundanz. Kühlung kann je nach Standort und Technik einen großen Teil der Zusatzenergie ausmachen. In kühlen, nördlichen Regionen ist der Kühlbedarf oft niedriger; dort lässt sich Abwärme besser für Fernwärme nutzen. In heißen Regionen steigt dagegen der Kühlaufwand deutlich — das trifft die Bilanz negativ.

Für Nutzerinnen und Nutzer heißt das: Der Effekt ist indirekt, aber real. Wenn Dienste wachsen, steigen die zugrunde liegenden Workloads, die Netze stärker belastet werden und mehr Erzeugungskapazität nötig ist. Dieser Zuwachs kollidiert mit anderen Energiebedarfen, etwa für Wärmepumpen oder die Elektromobilität, und verschärft planerische Fragen für Energienetzbetreiber.

Chancen und Risiken für Klima und Infrastruktur

Es gibt gleichzeitig Hebel, die die Klimabilanz verbessern können, und Risiken, die die Lage verschlechtern. Zu den Chancen zählen Effizienzgewinne bei Hardware, optimierte Software und der Umstieg großer Anbieter auf erneuerbare Energien. Moderne Rechenzentren erreichen bessere Power Usage Effectiveness (PUE) und spezialisierte Chips erledigen Aufgaben sparsamer als allgemeine Server.

Ein weiterer Hebel ist die Abwärmenutzung: Datenzentren erzeugen große Mengen an Wärme, die in Wärmenetze eingespeist werden kann. Die EU hat dafür Messgrößen wie den Energy Reuse Factor (ERF) eingeführt und verlangt seit 2024 Berichte von großen Rechenzentren. In Regionen mit vorhandener Fernwärme kann das einen echten Beitrag zur Reduktion fossiler Heizenergie leisten.

Risiken hängen vor allem an Wachstum und Standortwahl. Schnell expandierende Kapazitäten in Regionen mit kohle- oder gaslastigem Strommix führen zu hohen Emissionen. Dazu kommen lokale Netzengpässe: Länder mit sehr hoher Rechenzentrumsdichte sehen bereits jetzt erhebliche Anteile ihres Stroms von Datacentern absorbiert, was zu politischen Spannungen führen kann.

Ein wichtiges Spannungsfeld ist außerdem Transparenz. Ohne verlässliche, einheitliche Daten zu Strommix, PUE und Abwärmenutzung lassen sich Emissionen nur schlecht vergleichen. Das erschwert regulatorische Maßnahmen und Marktmechanismen, die umweltfreundliche Angebote belohnen würden.

Wie Europa die Bilanz verbessern kann

Die Europäische Union hat bereits Werkzeuge, um die Entwicklung zu steuern: Die überarbeitete Energieeffizienzrichtlinie verlangt Berichtspflichten für große Rechenzentren, darunter Kennzahlen wie ERF und PUE. Diese Vorgaben schaffen eine Basis: Sie machen die Daten vergleichbar und bieten Regulatoren und Energieplanern Fakten, auf die sich Maßnahmen stützen lassen.

Praktische Maßnahmen, die sich in Europa als sinnvoll erweisen, sind: strengere Berichtspflichten, Mindeststandards für Abwärmenutzung, bevorzugte Ansiedlung in Regionen mit hohen Anteilen erneuerbarer Erzeugung und Förderprogramme für die Nutzung von Abwärme in Fernwärmenetzen. Ergänzend sind verbindliche Transparenzregeln für große KI‑Anbieter denkbar, etwa die Pflicht, Energie‑ und Emissionsdaten pro Modell oder Dienst zu veröffentlichen.

Technisch gibt es ebenfalls Hebel: Effizientere Chips, intelligente Laststeuerung (Demand Response) und die Verlagerung in Regionen mit kaltem Klima oder guten Wärmeabnehmern reduzieren Emissionen. Staatliche Planung kann dazu beitragen, dass Neubauten in die Nähe von Wärmenetzen gebaut werden. Für dezentrale Digitallösungen heißt das, Standortpolitik mit Klima- und Netzplanung zu verknüpfen.

Ökonomisch sinnvoll ist eine Kombination aus Regulierung und Marktanreizen: Förderungen für Abwärmeprojekte, Ausschreibungen für CO₂‑arme Rechenzentrumsstandorte und klare Vorgaben für Renewable‑Power‑Purchase‑Agreements (PPA) können die Bilanz schnell verbessern, ohne digitale Entwicklung zu blockieren.

Fazit

KI‑Modelle und der Betrieb digitaler Dienste verursachen bereits heute signifikante CO₂‑Emissionen; die Schätzungen für 2025 reichen in eine Größenordnung, die mit einer Großstadt vergleichbar ist. Entscheidend ist, dass sich diese Emissionen nicht allein mit Technologiepolitik lösen lassen: Es braucht Transparenz bei Verbrauch und Abwärmenutzung, kluge Standortpolitik und Investitionen in Netze und erneuerbare Erzeugung. Europa verfügt über Regelwerke wie die Energieeffizienzrichtlinie, die einen Startpunkt bieten; in der Umsetzung liegt die Aufgabe. Wird sie ernst genommen, lassen sich effizientere Systeme, Abwärmenutzung und ein klimafreundlicherer Strommix verbinden, ohne die digitale Entwicklung zu stoppen.


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