Flüssig-CO₂ Energiespeicher sind ein neues Konzept für Long-Duration Energy Storage, das überschüssigen Solar- und Windstrom durch Verflüssigung von CO₂ speichert und später wieder in Strom zurückwandelt. Diese Technik verspricht lange Speicherdauer, relativ niedrige Materialkosten und eine hohe Skalierbarkeit. Der Artikel ordnet die Technologie ein, zeigt konkrete Praxisbeispiele und erklärt Chancen sowie Risiken für die Energiewende.
Einleitung
Viele erneuerbare Anlagen produzieren viel Energie, wenn Sonne scheint oder Wind weht — nicht immer dann, wenn sie gebraucht wird. Langfristige Speicher, die Strom über Stunden bis Tage vorhalten, werden daher immer wichtiger. Flüssig-CO₂ Energiespeicher arbeiten mit einem physikalischen Trick: CO₂ wird bei relativ moderaten Bedingungen verflüssigt und später wieder expandiert, um einen Generator anzutreiben. Das klingt technisch, hat aber einen direkten Nutzen: weniger Bedarf an knappen Batterierohstoffen und Speicherzeiten, die Tages- oder Mehrtagesbedarf abdecken können.
Im Vergleich zu Lithium-Ionen-Batterien sind Flüssig-CO₂-Systeme so ausgelegt, dass sie länger arbeiten können, ohne nennenswerte Kapazitätsverluste. Für Regionen mit viel Sonne oder Wind können solche Speicher die Lücke zwischen Erzeugung und Verbrauch verringern — etwa wenn Solarstrom tagsüber gewonnen und über mehrere Nächte verteilt werden soll. Gleichzeitig sind Fragen offen: Kosten, Sicherheit und die tatsächliche Performance unter Feldbedingungen müssen sich noch bestätigen.
Wie funktioniert ein Flüssig-CO₂ Energiespeicher?
Die Grundidee ist thermodynamisch: Überschüssiger Strom treibt Kompressoren an, die CO₂ gasförmig verdichten und durch Kühlung in einen dichten, flüssigkeitsähnlichen Zustand überführen. Diese Flüssigkeit wird in gut isolierten Tanks gespeichert. Wenn Energie benötigt wird, wird das CO₂ wieder verdampft und durch eine Turbine geführt, die einen Generator antreibt. Weil der Kreislauf geschlossen ist, entweicht kein CO₂ in die Atmosphäre; es wird lediglich als Arbeitsmedium genutzt.
Wesentliche Komponenten sind Kompressor, Wärmeübertrager, Speicherbehälter und Turbine. Ein wichtiger Unterschied zu sehr kalten Kryo-Systemen ist, dass Flüssig-CO₂ bei moderaten Temperaturen und drucktechnischen Bedingungen arbeitet, das reduziert technische Risiken und Kosten. Die Hersteller geben für kommerzielle Anlagen eine elektrische Wirkungsgrade (Round-Trip Efficiency, RTE) von rund 75 % an; unabhängige Forschungsprojekte zeigen für solargeführte Varianten niedrigere, aber im Modellgeschäft vielversprechende Werte um 44 – 50 %. Diese Spannbreite hat mit unterschiedlichen Systemkonzepten und Annahmen zu tun.
Flüssig-CO₂ nutzt thermische Vorgänge, die sich preisgünstig skalieren lassen und im Betrieb kaum an Kapazität verlieren.
Wichtig zu verstehen: Ein Flüssig-CO₂ Energiespeicher ist keine CO₂-Speicherung im Sinne von Klimaschutz (CCS). Das CO₂ wird nicht dauerhaft eingelagert, sondern als Arbeitsmedium wiederverwendet. Sicherheitsfragen betreffen eher das Risiko von Leckagen, die zu lokalen Sauerstoffverdrängungen führen können, nicht direkt die Klimawirkung. Technisch gelten geschlossene Systeme und geeignete Sicherheitskonzepte als Standard, aber industrielle Lösungen müssen diese Annahmen im Feld beweisen.
Wenn Zahlen helfen: Herstellerangaben nennen Energiedichten im Bereich von Dutzenden kWh pro Kubikmeter für bestimmte Designs; Forschungspapiere nennen je nach System 8 bis 66 kWh/m³ als Referenzwerte. Solche Werte erlauben eine kompakte Flächennutzung gegenüber manchen anderen thermischen Speicherlösungen.
Insgesamt ist der physikalische Ablauf gut nachvollziehbar: Strom → Kompression/Kühlung → Speicherung → Verdampfung/Expansion → Strom. Die Details bei Wärmerückgewinnung und Turbinenauslegung entscheiden über Effizienz und Kosten.
Praxisbeispiel: Die Ottana-Anlage in Sardinien
Ein frühes kommerzielles Beispiel ist eine Anlage in Ottana auf Sardinien: geplant bzw. in Betrieb gehende Projekte dieser Bauart haben rund 20 MW Leistung und etwa 200 MWh Speicherkapazität — das entspricht ungefähr zehn Stunden Entladung bei Volllast. Solche Systeme sind so ausgelegt, dass sie Stromlücken über Nacht bis zu mehreren Tagen abfedern können. Die Ottana-Anlage ist in Branchenberichten als erster kommerzieller Schritt genannt worden; Betreiber und Abnehmer arbeiten in Partnerschaften, um kommerzielle Betriebsdaten zu sammeln.
Für die Praxis bedeutet das: Ein Standort mit hoher Einspeisung aus Photovoltaik oder Wind kann tagsüber Strom aufnehmen und bei Bedarf abends oder an windarmen Tagen wieder abgeben. In Verträgen mit Netzbetreibern lässt sich das als sogenannte Kapazitätsleistung oder als Regelenergie anbieten. Das schafft Einnahmequellen, die Investitionen wirtschaftlich machen können.
Im Betrieb fallen vergleichsweise geringe Degradationskosten an — Hersteller sprechen von mehr als 30 Jahren Nutzungsdauer ohne merklichen Kapazitätsverlust. Das unterscheidet die Technik deutlich von Lithium-Ionen-Systemen, die je nach Nutzung schneller Kapazität verlieren. Außerdem benötigt die Technologie keine kritischen Mineralien wie Nickel oder Kobalt.
Dennoch sind Fallstricke vorhanden: Die angegebenen Wirkungsgrade stammen in Teilen aus Herstellerangaben und aus Modellrechnungen. Unabhängige Langzeitdaten aus kommerziellem Betrieb sind bisher noch knapp. Auch die Sicherheitsplanung ist anspruchsvoll: Bei einem Unfall könnte gasförmiges CO₂ große Volumina verdrängen, deswegen sind Standortwahl und Sensorik wichtige Elemente im Genehmigungsprozess.
Praxisnahe Nutzerfragen lauten daher: Wie stabil ist das System über Monate und Jahre? Wie reagieren Betreiber auf unerwartete Netzbedingungen? Und wie einfach lässt sich die Anlage an bestehende PV- oder Windparks anbinden? Antworten dazu liefert die laufende Erprobung in Projekten wie Ottana, kombiniert mit Forschungsberichten zu solar-unterstützten Designs, die zeigen, wie externe Wärmequellen Effizienz und Wirtschaftlichkeit beeinflussen können.
Chancen und Risiken auf einen Blick
Chancen: Flüssig-CO₂-Systeme bieten potenziell günstige Langzeitspeicherung ohne starke Degradation, geringe Abhängigkeit von knappen Rohstoffen und modulare Skalierbarkeit. In Modellrechnungen für solar-unterstützte Varianten können die LCOE in günstigen Regionen unter 0,10 USD/kWh liegen, was sie ökonomisch attraktiv macht. Außerdem sind die Betriebskosten vergleichsweise niedrig, weil die Hauptkomponenten Industrie-Standardteile sind — Kompressoren, Wärmespeicher, Druckbehälter und Turbinen.
Risiken: Die Bandbreite der berichteten Wirkungsgrade ist groß. Hersteller berichten von rund 75 % RTE, Forschungssimulationen für solarintegrierte Systeme nennen Werte um 44 % — beide Zahlen sind modellbasiert und hängen stark von Annahmen zu Wärmeintegration und Turbinenwirkungsgrad ab. Bis verlässliche Feldmessungen vorliegen, bleiben Unsicherheiten bei der tatsächlichen Performance und beim Kapitaleinsatz.
Weitere Risiken betreffen Sicherheit und Genehmigung: CO₂ ist nicht giftig im klassischen Sinn, kann aber in hohen Konzentrationen zum Ersticken führen. Deshalb sind Sicherheitskonzepte, Gasdetektoren und Evakuierungspläne zwingend. Dazu kommen Genehmigungsverfahren, die je nach Land unterschiedlich streng sind. Lokal kann zudem Widerstand gegen neue Industrieanlagen entstehen — die klassische NIMBY-Problematik.
Ein wirtschaftlicher Punkt: Kapitalkosten und Förderprogramme beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit. In Regionen mit hohen Strompreisunterschieden zwischen Tag und Nacht oder ergänzenden Fördermechanismen dürften Flüssig-CO₂-Speicher schneller wirtschaftlich werden. In Märkten mit niedrigen Preisspreads bleibt der Businesscase schwieriger.
Schließlich ist die Technik nicht als alleinige Lösung zu sehen. Kombinationen etwa aus Lithium-Ionen für kurzfristige Spitzen und Flüssig-CO₂ für Mehrtagesbedarf erscheinen plausibel, weil so die jeweiligen Stärken genutzt werden: hohe Wirkungsgrade bei kurzzeitigem Einsatz plus kosteneffiziente Langzeitspeicherung.
Wie sich die Technik in den nächsten Jahren entwickeln könnte
Die nächsten Schritte sind dreigleisig: mehr Demonstrationsanlagen, unabhängige Performance-Daten und politische Rahmensetzung. Demonstrationsanlagen wie die in Sardinien liefern die ersten realen Kennzahlen zu Wirkungsgrad, Verfügbarkeit und Betriebskosten. Forschungsergebnisse zeigen zudem, dass die Kombination mit Solarthermie oder Abwärme die Effizienz deutlich verbessern kann — Modelle sprechen von deutlich niedrigeren LCOE in sonnenreichen Regionen.
Regulatorisch sind Anpassungen nötig. Langfristige Speicher brauchen Marktregeln, die Zahlungen für Mehrtagesbereitschaft oder Kapazität ermöglichen. Ohne entsprechende Vergütungsmodelle bleiben Investitionen riskant, selbst wenn die Technik funktioniert. Förderprogramme ähnlich denen für Batteriespeicher oder für Demonstrationsprojekte können hier den Ausschlag geben.
Für Kommunen und Versorger bedeutet das: Machbarkeitsstudien im lokalen Kontext sind jetzt sinnvoll. Standorte mit hohem Anteil erneuerbarer Erzeugung und hoher Netzvolatilität profitieren am meisten. Technisch sollten Betreiber neben Effizienz auch Lebensdauer, Safety-Engineering und Integrationstests in den Vordergrund stellen.
Ein zu beachtender Punkt: Einige grundlegende Simulationen und Pilotdaten stammen aus Studien, die älter als zwei Jahre sind; das ist transparent zu beachten, weil sich Märkte und Komponentenpreise schnell ändern. Trotzdem liefern neuere Veröffentlichungen und erste kommerzielle Projekte genug Hinweise, um gezielte Pilotierungen zu rechtfertigen.
In Summe ist Flüssig-CO₂ eine vielversprechende Ergänzung im Werkzeugkasten der Energiespeicherung. Ob sie sich breit durchsetzt, hängt von Finanzierung, Regulatorik und den ersten kommerziellen Betriebsdaten ab.
Fazit
Flüssig-CO₂ Energiespeicher kombinieren physikalische Einfachheit mit dem Potenzial für lange Speicherdauer und niedrige Materialabhängigkeit. Erste kommerzielle Projekte zeigen, dass das Konzept technisch umsetzbar ist; wirtschaftliche und sicherheitstechnische Fragen werden derzeit durch Demonstrationsprojekte und Modellstudien adressiert. Kurzfristig könnten solche Systeme besonders dort sinnvoll sein, wo große Mengen erneuerbarer Energie anfallen und über Stunden bis Tage verteilt werden müssen. Langfristig hängt der Erfolg von stabilen Betriebsdaten, passenden Marktregeln und gezielten Pilotinvestitionen ab.
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