Chinesische Windkraft in der Nordsee: Spannung zwischen Innovation und Sicherheitsrisiken

Die Energiewende ist in vollem Gange, und Offshore-Windparks in der Nordsee spielen dabei eine Schlüsselrolle. Doch ein aktuelles Projekt sorgt für Aufsehen: Ein Hamburger Investor, die Investmentfirma Luxcara, plant, vor der Insel Borkum einen Windpark mit chinesischer Technologie zu errichten – genauer gesagt mit 16 Windkraftanlagen des Herstellers Mingyang. Während die einen darin eine kosteneffiziente Innovation sehen, schlagen Experten und Politiker Alarm: Spionagerisiken könnten die nationale Sicherheit gefährden. Was steckt hinter diesem Konflikt, und welche Konsequenzen könnte er haben? Dieser Artikel taucht tief in die Materie ein und beleuchtet die brennenden Fragen, die Wirtschaft, Politik und Technologie miteinander verknüpfen.
Ein Windpark mit Potenzial – und Risiken
Der geplante Windpark „Waterkant“ liegt etwa 90 Kilometer vor Borkum und soll mit modernsten Turbinen des chinesischen Unternehmens Mingyang Smart Energy ausgestattet werden. Mit einer Leistung von jeweils 18 Megawatt pro Anlage verspricht das Projekt, einen bedeutenden Beitrag zur deutschen Energiewende zu leisten. Luxcara betont, dass die Entscheidung für Mingyang nicht nur aufgrund des Preises fiel, sondern auch wegen der Fähigkeit des Herstellers, die Lieferfristen bis 2028 einzuhalten – ein Zeitrahmen, den europäische Konkurrenten offenbar nicht garantieren konnten.
Doch genau hier beginnt die Kontroverse. Die Bundeswehr-Denkfabrik German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS) hat in einer Analyse vom März 2025 ernste Sicherheitsbedenken geäußert. Chinesische Technologie in kritischer Infrastruktur wie Offshore-Windparks könnte Peking Zugang zu sensiblen Daten verschaffen – von Spionage über militärische Lagebilder bis hin zur potenziellen Sabotage der Energieversorgung. Diese Warnungen haben eine parteiübergreifende Debatte entfacht, die an frühere Konflikte um chinesische Hardware, etwa beim 5G-Ausbau mit Huawei, erinnert.
Warum chinesische Turbinen?
Chinas Aufstieg in der Windkraftbranche ist beeindruckend. Hersteller wie Mingyang bieten nicht nur wettbewerbsfähige Preise, sondern auch technisch ausgereifte Lösungen, die mit europäischen Standards mithalten können. Für Investoren wie Luxcara ist das ein verlockendes Angebot, zumal die deutsche Windindustrie mit Herausforderungen wie langen Genehmigungsverfahren, Lieferkettenproblemen und steigenden Kosten kämpft. Doch der Preisvorteil wirft Fragen auf: Sind die niedrigen Kosten ein Resultat staatlicher Subventionen? Und welche Risiken birgt die Abhängigkeit von einem geopolitischen Akteur wie China?
Sicherheitsrisiken unter der Lupe
Die Befürchtungen der Experten sind nicht aus der Luft gegriffen. Laut dem GIDS-Bericht könnten die Sensoren der Windkraftanlagen Daten sammeln, die für militärische Zwecke genutzt werden – etwa Bewegungen von Schiffen oder Unterseebooten in der Nordsee, einem strategisch wichtigen Gebiet für die NATO. Noch besorgniserregender: Im Worst-Case-Szenario könnte China die Turbinen fernsteuern oder abschalten, um die Energieversorgung zu destabilisieren. Solche Szenarien klingen wie Science-Fiction, sind aber in einer Welt zunehmender Cyber-Bedrohungen durchaus denkbar.
Politiker wie Roderich Kiesewetter (CDU) nennen das Vorhaben „grob fahrlässig und sicherheitsgefährdend“. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz fordert, die Warnungen der Bundeswehr „sehr ernst“ zu nehmen, während SPD-Mann Dirk Wiese die Bundesregierung auffordert, bestehende rechtliche Instrumente zum Schutz kritischer Infrastruktur einzusetzen. Ein Vorschlag, der immer wieder fällt: Ein Verbot chinesischer Komponenten nach dem Vorbild der 5G-Regulierung.
Parallelen zu Huawei
Die Debatte erinnert stark an die Diskussion um Huawei im Mobilfunkbereich. Damals führten Sicherheitsbedenken dazu, dass Deutschland und andere Länder den Einsatz chinesischer Technologie stark einschränkten. Nun könnte die Windkraftbranche vor einer ähnlichen Zäsur stehen. Doch während die Abhängigkeit von Huawei durch Alternativen wie Nokia oder Ericsson abgefedert werden konnte, ist die Situation bei Windkraft komplexer – Europa hat zwar starke Player wie Siemens Gamesa oder Vestas, doch diese kämpfen mit eigenen Problemen.
Die europäische Windindustrie in der Krise
Die Entscheidung von Luxcara wird auch als Symptom einer größeren Krise gesehen. Die europäische Windkraftbranche steht unter Druck: Hohe Produktionskosten, verzögerte Projekte und ein harter Wettbewerb machen es schwer, mit China mitzuhalten. Kritiker wie Fritz Vahrenholt, ehemaliger Hamburger Umweltsenator, warnen vor einem „Solar-Szenario“ – einer Übernahme des Marktes durch chinesische Hersteller, wie es in der Photovoltaik-Industrie geschehen ist. Doch Luxcara wehrt sich gegen solche Vorwürfe und betont, dass die Steuerung und Wartung der Turbinen in Deutschland bleiben sollen, um Sicherheitsrisiken zu minimieren.
Geopolitische Dimensionen
Der Windpark vor Borkum ist mehr als nur ein Energieprojekt – er ist ein geopolitisches Statement. China drängt darauf, seine Position als Technologieführer auszubauen, während westliche Staaten um ihre Unabhängigkeit ringen. Die Nordsee, ein Knotenpunkt für Handel und Verteidigung, wird so zum Schauplatz eines neuen „Tech-Kalten Krieges“. Wie wird Deutschland reagieren? Ein Verbot könnte ein starkes Signal an Peking senden, doch es könnte auch die Kosten der Energiewende in die Höhe treiben und den Ausbau erneuerbarer Energien verzögern.
Was sagen die Beteiligten?
- Luxcara: „Wir haben Mingyang von unabhängigen Experten prüfen lassen und stehen im engen Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium. Sicherheitsrisiken sind beherrschbar.“
- Bundeswehr (GIDS): „Chinesische Technologie in kritischer Infrastruktur birgt ernste Risiken – von Spionage bis zur Störung der Energieversorgung.“
- Politiker: „Ein Verbot ist überfällig. Die Sicherheit unserer Infrastruktur hat Vorrang vor kurzfristigen Kostenvorteilen.“
Ausblick: Ein Wendepunkt für die Energiewende?
Das Projekt „Waterkant“ steht an einem Scheideweg. Wird es als Meilenstein der internationalen Zusammenarbeit gefeiert oder als Sicherheits-Fiasko in die Geschichte eingehen? Die Entscheidung liegt bei der Bundesregierung, die zwischen wirtschaftlichen Zwängen und sicherheitspolitischen Imperativen abwägen muss. Für die Bürger bleibt die Spannung: Wie sicher ist unsere Energiezukunft, und wer kontrolliert sie am Ende?
Die nächsten Monate werden zeigen, ob Deutschland den Mut hat, einen harten Kurs gegen chinesische Technologie zu fahren – oder ob wir uns stillschweigend in eine neue Abhängigkeit begeben. Eins ist sicher: Dieser Windpark könnte mehr als nur Strom erzeugen – er könnte die Weichen für die europäische Energiepolitik der nächsten Jahrzehnte stellen.
Quellen
- Handelsblatt: „Ein Hamburger Investor setzt beim Bau eines Windparks in der Nordsee auf chinesische Technologie. Experten warnen vor Spionagerisiken.“ (03.03.2025)
- Manager Magazin: „Bundeswehr-Denkfabrik warnt vor chinesischer Technologie in Offshore-Windanlagen.“ (03.03.2025)
- Deutschlandfunk: „Sicherheitspolitiker fordern Stopp von Windkraft-Geschäft mit China.“ (03.03.2025)