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Wie KI den Flächenbedarf großer Solarparks präzise berechnet


KI Solarflächenplanung verbindet Satellitendaten, Geländemodelle und maschinelles Lernen, um genau zu berechnen, wie viel Fläche ein großer Solarpark wirklich braucht. Das Verfahren zeigt, welche Flächen technisch geeignet sind, wie Neigung, Schatten und Netzanschluss den Bedarf verändern und wie sich klassische Faustzahlen (etwa 1–2 ha/MW) in konkreten Projekten verschieben. Die Methode reduziert Planungsschritte und liefert belastbare Schätzungen, die Kommunen, Projektentwickler und Planer besser abwägen lassen.

Einleitung

Wenn große Solarparks geplant werden, tauchen schnell praktische Fragen auf: Reichen die Flächen im regionalen Flächennutzungsplan? Wie viel Ertrag ist realistisch? Und welche Gebiete bleiben zum Schutz von Natur und Landwirtschaft erhalten? Traditionell arbeiteten Planer mit Faustregeln wie 1–2 ha pro Megawatt (ha/MW). Solche Werte sind nützlich, aber ungenau: Geländeform, Vegetation, Verschattung und die Distanz zum Netz machen aus derselben Fläche sehr unterschiedliche Energieerträge und Flächenbedarfe.

Mit KI lassen sich diese Unsicherheiten systematisch verringern. Aus Luft- und Satellitenbildern, digitalen Geländemodellen und Karten zu Schutzgebieten wird ein Datenmodell, das Kriterien gewichtet und automatisiert Flächen nach Eignung sortiert. So entstehen konkrete Schätzungen des Flächenbedarfs, nicht nur grobe Range-Angaben. Für Planer und Behörden bedeutet das präzisere Entscheidungen und weniger Überraschungen bei Genehmigung und Netzanbindung.

Wie KI Solarflächenplanung funktioniert

KI Solarflächenplanung nutzt mehrere Datenquellen zusammen: multispektrale Satellitenbilder (z. B. Sentinel-2), digitale Höhenmodelle (LiDAR oder SRTM), Landnutzungskarten und Infrastrukturdaten (Stromnetz, Straßen). Auf diesen Schichten laufen zwei zentrale Schritte ab: Klassifikation und Optimierung.

Bei der Klassifikation erkennt ein neuronales Netz Flächenmerkmale: Acker, Wald, Gewässer, bebautes Gebiet oder bereits bestehende PV-Anlagen. Solche Modelle — häufig Varianten von U‑Net oder DeepLabV3+ — arbeiten mit Bildsegmentierung. Die Folge: aus einem Luftbild wird eine Karte, die sehr genau zeigt, welche Flächen grundsätzlich verfügbar sind.

KI verbindet Sichtbares und Geländeinformationen und macht daraus eine Bewertung, die sagt: Diese Parzelle ist für einen Solarpark geeignet, diese nicht.

Im zweiten Schritt legt ein Multi-Kriterien‑Ansatz (MCDA) die Bedeutung einzelner Faktoren fest: Sonneneinstrahlung, Hangneigung, Beschattung durch Bäume oder Bebauung, Entfernung zum Netz und Schutzgebiete. Gewichte können regional variieren — in flachem Ostdeutschland ist Hang weniger relevant als in hügeligen Regionen. Die KI automatisiert die Kombination dieser Kriterien und berechnet so die nutzbare Fläche und eine erwartete Anlagenleistung.

Eine einfache Rechenformel, die oft zur Abschätzung dient, lautet: Energieertrag = Fläche × mittlere Jahresstrahlung × Modulwirkungsgrad × Systemverluste. KI ersetzt die pauschalen Annahmen durch raumbezogene Werte: lokale Strahlung, exakte Neigung und reale Abschattungsmasken. Dadurch verändert sich die Zahl von 1–2 ha/MW in vielen Fällen deutlich — in dicht bewaldeten oder stark geneigten Gebieten steigt der Bedarf, in flachen, sonnigen Arealen sinkt er.

Wenn Zahlen nötig sind: Best-Practice-Analysen zeigen, dass KI-gestützte Planung Entwurfszeit deutlich reduziert und die Flächennutzung pro installierter Leistung oft um rund 8–15 % effizienter gestaltet werden kann (Quellen: wissenschaftliche Studien zu GIS und Fernerkundung; Fraunhofer-Analysen für Deutschland).

Merkmal Beschreibung Wert
Spezifischer Flächenbedarf Typischer Bereich nach Faustregel 1–2 ha/MW
Praxis mit KI Regionale Anpassung durch Geländedaten -8–15 % Fläche möglich

Praxis: Vom Satellitenbild zur Flächenabschätzung

Ein typischer Workflow beginnt mit offenen Satellitendaten (Sentinel-2) und digitalen Höhenmodellen. Zunächst erfolgen Vorverarbeitungsschritte: Wolkenmaskierung, Bildung von Indizes wie NDVI (Vegetationsindex) und Ableitung von Hangneigung aus dem Höhenmodell. Anschließend segmentiert ein trainiertes Modell die Landschaft in Nutzungs‑ und Hüllflächen.

Das Ergebnis ist eine Karte mit Klassifikationen (Acker, Wald, Siedlung, Gewässer, brachliegende Flächen). Parallel errechnet die Software Einstrahlungswerte pro Rasterzelle. Mit diesen Schichten filtert ein MCDA-Prozess gesetzliche Restriktionen (z. B. Natura‑2000‑Zonen), Puffer um Siedlungen und Mindestabstände zur Leitung. Am Ende bleibt eine Flächenmenge, die technisch geeignet ist — und aus dieser Menge lässt sich der Flächenbedarf für eine Zielleistung extrapolieren.

Wichtig ist die Validierung: Modelle liefern auf Trainingsregionen sehr gute Treffer (oft 90 %+ bei der Erkennung existierender Solarparks), aber Übertragungsfehler in anderen Regionen sind möglich. Daher werden Drohnenaufnahmen oder einfache Stichproben vor Ort zur Qualitätskontrolle empfohlen. Solche Feldchecks korrigieren systematische Abweichungen, zum Beispiel durch saisonale Vegetationsvariationen.

Für Deutschland liegen umfangreiche Ergänzungen vor: Fraunhofer ISE hat zuletzt Potenziale für Agri‑PV und Freiflächen-PV analysiert und zeigt, dass integrierte Konzepte den reinen Flächenbedarf deutlich reduzieren können. Ältere amtliche Rechnungen (Thünen‑Institut, 2022) liefern die Referenzwerte; diese Studie ist älter als zwei Jahre und bleibt relevant als Vergleichsmaßstab, weil sie Verschnitte nach Landnutzung und Szenarien enthält.

Chancen und Konflikte bei Flächenbedarf

KI-gestützte Kartierung bietet Chancen: Kommunen können Flächen schneller bewerten, Investoren sehen realistischere Zahlen, und Naturschutzkonflikte lassen sich früher erkennen. Wenn GIS-Modelle Schutzgebiete und Biotopverbünde automatisch berücksichtigen, reduziert das überraschende Einsprüche im Genehmigungsprozess.

Risiken bestehen aber auch. Erstens: Datenlücken und saisonale Effekte können Modelle in ihrer Aussagekraft einschränken. Viele Trainingsdaten stammen aus Europa und Nordamerika; in anderen Regionen passen die Modelle schlechter. Zweitens: KI kann Planungen beschleunigen — aber wenn sie ausschließlich technische Kriterien optimiert, entstehen soziale Konflikte. Flächen, die aus naturschutzfachlicher Sicht vermieden werden sollten, könnten in einer rein ertragsorientierten Bewertung hoch gewichtet werden.

Ein weiteres Spannungsfeld ist die Mischung aus Agri‑PV und Freiflächen‑PV. Fraunhofer‑Analysen zeigen, dass Agri‑PV das Flächenproblem entschärfen kann: dieselbe Fläche liefert Energie und landwirtschaftliche Nutzung weiter. Das reduziert den reinen Nutzflächenverlust, kann aber zu veränderten Pachtverhältnissen und ökologischen Anpassungsfragen führen.

Schließlich bleibt die Netzanbindung ein limitierender Faktor: Regional identifizierte, sehr gut geeignete Flächen nützen wenig, wenn es keine Kapazität am Netz gibt. Hier zeigt sich, dass präzise Flächenabschätzungen mit Netzplanungen verzahnt sein müssen, sonst entstehen teure Nachjustierungen.

Wohin die Entwicklung gehen kann

In den kommenden Jahren wird sich die KI Solarflächenplanung weiterentwickeln. Modelle werden multi‑temporal arbeiten — mehrere Jahreszeiten berücksichtigend — und so saisonale Vegetationsänderungen besser abbilden. Auch Explainable‑AI‑Methoden werden wichtiger, damit Planer nachvollziehen können, warum eine Fläche als geeignet oder ungeeignet eingestuft wurde.

Ein plausibles Szenario ist eine stärkere Integration von Agri‑PV‑Szenarien: KI liefert nicht nur Flächenmengen, sondern auch Vorschläge für Doppelnutzung (Schattenzonen für bestimmte Nutzpflanzen, Abstandssysteme für Biodiversität). Dadurch sinkt die Fläche, die ausschließlich für Energiezwecke entzogen wird.

Für die Praxis bedeutet das: Lokale Behörden erhalten bessere Entscheidungsgrundlagen, Bürgerdialoge werden datenbasiert und transparenter, und Investitionen lassen sich sicherer planen. Gleichzeitig bleibt die Notwendigkeit für Vor‑Ort‑Prüfungen bestehen — KI ergänzt die Planung, ersetzt aber nicht die Beteiligung und die fachliche Vor‑Ort‑Prüfung.

Technisch gesehen dürfte die Kombination aus semantischer Segmentierung (z. B. U‑Net, DeepLabV3+) und Optimierungsalgorithmen für Layout und Netzanschluss die Standardkette werden. Das führt zu robusteren Flächenabschätzungen, die für Ausschreibungen und kommunale Entscheidungsprozesse nutzbar sind.

Fazit

KI hilft, den Flächenbedarf großer Solarparks präziser als früher zu berechnen. Statt pauschaler Faustregeln liefern kombinierte Analysen aus Satellitendaten, Geländemodellen und Multi‑Kriterien‑Bewertung konkrete Flächenmengen und belastbare Ertragsabschätzungen. Das reduziert Planungsrisiken, macht Flächenkonflikte sichtbarer und ermöglicht integrierte Lösungen wie Agri‑PV, die den reinen Flächenverbrauch senken. Entscheidend bleibt die Verbindung von digitalen Modellen mit Feldprüfungen und einer abgestimmten Netzplanung.


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