Wie CO2-absorbierende Ziegel funktionieren und was sie bringen
CO2-absorbierende Ziegel sind Baustoffe, die während ihrer Produktion oder im gebauten Zustand Kohlendioxid aufnehmen oder dauerhaft binden. In diesem Text wird erklärt, wie verschiedene Ansätze – chemische Recarbonatisierung, Recycling von Ziegelbruch und neue Herstellverfahren mit Biomasse – wirken und welche Folgen sie für Emissionen, Bauqualität und die Industrie haben. Das Thema verbindet technische Details mit praktischen Beispielen und zeigt, warum diese Entwicklungen für klimafreundliches Bauen relevant sind.
Einleitung
Ziegelwände stehen täglich still — und doch laufen hinter ihnen chemische Prozesse ab, die klimapolitisch relevant sind. Manche Mauersteine nehmen im Lauf der Jahre Kohlendioxid aus der Luft wieder auf; andere werden inzwischen so produziert, dass bei der Herstellung deutlich weniger fossiles CO2 anfällt. Für Bauherren, Planer und Bewohner wirkt das zunächst abstrakt, doch die Folgen zeigen sich in Energiekosten, Baustoffpreisen und Ökobilanzen. Der Text ordnet verschiedene technische Wege ein und stellt einfache Beispiele aus Produktion und Baustelle vor, damit klar wird, wie Ziegel künftig zur Klimastrategie beitragen können.
Was bedeutet “CO2-absorbierende Ziegel”?
Der Begriff fasst mehrere, technisch unterschiedliche Ideen zusammen. Ein Weg ist die Recarbonatisierung: Kalk- und zementgebundene Materialien reagieren mit CO2 aus der Luft und binden Teile des zuvor freigesetzten Kohlenstoffs wieder in mineralischer Form. Diese Bindung läuft langsam ab und kann über Jahrzehnte wirksam bleiben.
Ein anderer Ansatz verändert die Produktion: Wenn der Brennprozess mit erneuerbarer Energie oder mit Holzgas betrieben wird, sinken die direkten Emissionen. Ein aktuelles Pilotprojekt demonstriert, dass die Integration eines Holzvergasers in einer Ziegelfabrik fossiles Erdgas ersetzen kann und so die Produktionsemissionen stark reduziert (Quelle: idw-online, 2025).
Mauerwerk kann durch chemische Reaktionen einen Teil des freigesetzten CO₂ wieder aufnehmen und so als langfristiger Speicher wirken.
Schließlich gibt es Forschungsansätze, die Zusatzstoffe einbauen: fein gemahlene mineralische Rückstände aus Ziegelbruch oder speziell hergestellte Sorptionsmaterialien können die Fähigkeit zum CO2‑Binden erhöhen oder fossile Zuschläge teilweise ersetzen. Eine Studie des BBSR (2024) beschreibt, wie Ziegelmehl als puzzolanischer Ersatzstoff in Bindemitteln eingesetzt werden kann.
Die Tabelle unten fasst die vier wichtigsten Typen knapp zusammen.
| Ansatz | Wie es wirkt | Typischer Effekt | Beispiel |
|---|---|---|---|
| Recarbonatisierung | CO₂ reagiert mit Ca‑/Si‑Verbindungen | Dauerhafte Bindung im Mauerwerk | Porenbeton, Kalksandstein |
| Produktion mit Biomasse | Ersatz von Erdgas durch Holzgas | Reduzierte Produktions‑CO₂ | BioBrick2‑Pilot (Holzvergaser) |
| Ziegelbruch als Zuschlag | Feinmahlung liefert puzzolanische Aktivität | Weniger Zement/Klinker nötig | BBSR‑Projekte zu Brechsand |
| Spezialzusätze / DAC‑Materialien | Aufnahme direkt aus der Luft | Zusätzliche CO₂‑Sequestrierung | Forschungsprototypen, UK/USA |
Wie das im Alltag aussehen kann
Auf der Baustelle ist der Unterschied oft unspektakulär: ein roter Klinker bleibt ein roter Klinker. Den Effekt merkt man in der Planung und bei Ökobilanzen. Ein Beispiel: Eine Ziegelfabrik, die Teile ihrer Öfen mit Holzgas betreibt, benötigt weniger Erdgas. Für Bauprojekte bedeutet das einen niedrigeren Produkt‑Emissionswert, der in Ausschreibungen und bei Ökobilanzen (EPD) angerechnet wird.
Im Gebrauch bindet eine massive Außenwand über Jahrzehnte CO₂ durch Recarbonatisierung. Das klingt abstrakt, ist aber messbar: Untersuchungen zeigen, dass Mauerwerk je nach Material bis zu etwa 150 kg CO₂ pro Tonne über Nutzungszeiträume hinweg aufnehmen kann. Diese Studie stammt aus dem Jahr 2023 und ist damit älter als zwei Jahre; sie bleibt jedoch wichtig, weil sie das prinzipielle Speicherpotenzial mineralischer Wände belegt (Quelle: Baustoffwissen, 2023).
Beim Rückbau eröffnen sich zusätzliche Optionen: Ziegelbruch lässt sich zu feinem Material verarbeiten, das als Ersatz in Bindemitteln fungiert. Das reduziert die Menge an neuem Klinker oder Zement, die produziert werden muss. Das BBSR hat 2024 mehrere Ansätze präsentiert, wie Ziegelmehl sinnvoll als puzzolanischer Ersatzstoff eingesetzt werden kann; das kann die CO₂‑Bilanz von Baustoffen deutlich verbessern, sofern Normen und Qualitätssicherung passen.
Für Bauherren heißt das konkret: Bei der Wahl von Wand und Lieferant kann die Entscheidung für ein Produkt mit angerechneter Recarbonatisierung oder für Ziegel aus einer Fabrik mit Biomassefeuerung die Lebenszyklus‑Emissionen spürbar senken.
Chancen, Risiken und offene Fragen
Die Chancen sind real: Recarbonatisierung macht aus einem Emissionsposten teilweise einen Speicher; Recycling verringert Materialbedarf; und Produktionskonzepte mit Biomasse senken direkte CO₂‑Emissionen. Zusammen können diese Maßnahmen die Bilanz des Bauens verbessern, ohne die Bauqualität grundsätzlich zu schmälern.
Wesentliche Risiken und Herausforderungen bleiben jedoch. Erstens: Normen und Prüfverfahren. Ersatzstoffe aus Ziegelbruch erfordern verlässliche Tests, damit Festigkeit und Dauerhaftigkeit nicht leiden. Zweitens: Skalierung und Verfügbarkeit. Pilotanlagen wie der Holzvergaser sind technisch machbar, aber flächendeckend müssen Brennstofflogistik, Lieferketten und Energieintegration neu gedacht werden.
Drittens: Zeitliche und modellbedingte Unsicherheiten. Einige Daten zur Recarbonatisierung stammen aus Studien, die vor mehr als zwei Jahren erschienen sind; das ändert nichts am Mechanismus, aber an den genauen Zahlen kann sich wenig bis viel ändern, wenn sich Produktionsprozesse oder Baustandards wandeln. Daher bleiben belastbare Langzeitdaten wichtig.
Viertens: Marktakzeptanz und Preis. Recyclingverfahren und neue Brennverfahren brauchen Investitionen. Ohne wirtschaftliche Anreize oder Vorgaben ist die Umstellung langsamer als nötig. Schließlich stellen auch neue Forschungsansätze—etwa Ziegel, die aktiv CO₂ aus der Luft filtern—Fragen zu Haltbarkeit, Kosten und Energieaufwand bei der Herstellung.
Wohin die Entwicklung führen kann
In den nächsten Jahren sind mehrere Entwicklungsfelder zu erwarten: bessere Standardisierung von Recyclingmehlen, größere Demonstrationsanlagen für Biomasse in Ziegelöfen und mehr Datengrundlage zur Recarbonatisierung in Langzeit‑Ökobilanzen. Wenn Pilotprojekte skaliert werden, könnte sich die Ziegelindustrie zu einem deutlich niedrigeren Emissionsniveau entwickeln.
Für die gebaute Umwelt bedeutet das: Gebäude, die heute entstehen, könnten über Jahrzehnte CO₂‑Speicher sein, während ihre Herstellung zugleich weniger fossiles CO₂ freisetzt. In der Praxis heißt das nicht, jedes Projekt wird sofort klimaneutral; es heißt aber, dass durch Materialwahl und Produktionskette messbare Einsparungen möglich sind.
Planerinnen und Planer können künftig beim Vergleich von Wandaufbauten neben Wärmedämmwerten und Kosten auch aktiv das Speicherpotenzial sowie die Herkunft der Produktionsenergie berücksichtigen. Auf politischer Ebene sind klarere Regelungen zur Anrechnung von Recarbonatisierung in Ökobilanzen hilfreich, ebenso wie Förderprogramme für Upcycling‑Pilotprojekte.
Internationale Forschung zur aktiven CO₂‑Absorption in Ziegeln (Beispiele aus Großbritannien und den USA) zeigt zusätzliche Wege, die aber noch in Prototypen‑Status sind. Solche Ansätze könnten in Kombination mit lokalem Recycling und erneuerbarer Prozessenergie besonders wirksam sein.
Fazit
CO2-absorbierende Ziegel sind kein einzelnes Produkt, sondern ein Spektrum von Lösungen: mineralische Recarbonatisierung, Recycling von Ziegelbruch als Bindemittel und produktionsseitige Dekarbonisierung durch Biomasse. Jedes Element trägt auf seine Weise dazu bei, die Emissionen des Bauens zu reduzieren oder Kohlenstoff zu speichern. Technisch sind viele Ansätze erprobt, politisch und wirtschaftlich geht es jetzt um Skalierung, Normen und Anreize. Wer beim Planen auf Materialwahl, Lieferkette und EPD‑Angaben achtet, kann heute schon zur Verbesserung der Bilanz beitragen.
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