Wasserstoff im Verkehr klingt sauber, doch seine Klimabilanz hängt stark von Herstellung, Transport und Einsatz ab. Dieser Text erklärt, welche Schritte in der Wertschöpfungskette besonders viel CO₂ erzeugen, warum Importe und Umwandlungsverluste die Bilanz verschlechtern können und wo Wasserstoff tatsächlich einen Vorteil hat. Die zentrale Aussage: Grün erzeugter Wasserstoff muss streng nach Herkunft und Strommix geprüft werden, sonst ist er oft klimaschädlicher als effizientere Alternativen.
Einleitung
Viele Menschen verbinden Wasserstoff mit sauberer Energie: Ein Fahrzeug, das Wasserstoff tankt, stößt unterwegs nur Wasserdampf aus. Doch Klimabilanz beginnt deutlich früher — bei der Produktion des Gases, seinen Transportwegen und der Umwandlung zurück in Strom oder Wärme. Besonders im Verkehr fällt oft auf, dass Wasserstoff aus technischer Sicht weniger effizient ist als das direkte Laden von Batterien. Das klingt abstrakt, ist im Alltag aber konkret: Bei gleicher Menge erneuerbarer Energie lässt sich mit Batterien in der Regel mehr Fahrleistung erzielen als mit Wasserstoff-Brennstoffzellen.
Dieser Artikel zerlegt die Kette in verständliche Schritte, zeigt typische Verlustquellen und nennt die Anwendungen, in denen Wasserstoff sinnvoll sein kann. Er basiert auf aktuellen Analysen von Forschung und Behörden und markiert ältere Studien, damit die Einordnung transparent bleibt.
Wasserstoff im Verkehr: Wie die Klimabilanz zustande kommt
Die Klimabilanz eines Produkts wird im Lebenszyklus betrachtet: Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung. Bei Wasserstoff sind drei Schritte besonders wichtig: die Erzeugung des Wasserstoffs, sein Transport und die Verluste bei Speicherung oder in Brennstoffzellen. Konventionell hergestellter Wasserstoff aus Erdgas verursacht pro Kilogramm deutlich mehr CO₂ als «grüner» Wasserstoff aus Elektrolyse mit erneuerbarem Strom. Studien zeigen für grauen Wasserstoff Werte im Bereich von etwa 11–13 kg CO₂‑Äq pro kg H₂. Diese Zahl stammt aus einem Bericht von 2023 und ist damit älter als zwei Jahre.
Ein Großteil des CO₂ entsteht bereits vor dem Tank: bei der Strom- oder Gaslieferung, beim Verflüssigen oder beim langen Schiffstransport.
Der Unterschied zu Batterie-Fahrzeugen entsteht, weil die Erzeugung von Wasserstoff energetisch aufwändig ist. Elektrolyseure brauchen Strom, anschließendes Komprimieren oder Verflüssigen braucht weitere Energie, und beim Transport treten Verluste auf. Deshalb kann die „Well-to-Wheel“-Bilanz (also von der Quelle bis zum Rad) schlechter ausfallen als die direkte Nutzung von elektrischem Strom in einem Akku.
Eine kompakte Vergleichstabelle fasst typische Werte zusammen und macht den Größenordnungsunterschied sichtbar.
| Stufe | Beispiel | Typischer Wert |
|---|---|---|
| Grauer H₂ (Erdgas) | Steam‑Methane‑Reforming | ~11–13 kg CO₂‑Äq/kg H₂ |
| Grüner H₂ (Elektrolyse) | mit sauberem EE‑Strom | 0–5 kg CO₂‑Äq/kg H₂ (stark abhängig vom Strommix) |
| Transport (Langstrecke) | LH₂‑Schiff oder Ammoniak‑Route | bis ~3 kg CO₂‑Äq/kg H₂ zusätzliche Emissionen |
Die Zahlen sind gerundet und dienen zur Einordnung. Wichtig sind die Relationen: Wenn der Strommix für die Elektrolyse nicht sehr sauber ist, sinkt der Vorteil oder kehrt sich um; lange Transportketten und Umwandlungen (z. B. Ammoniak zu H₂) können zusätzlich so viel Emissionen verursachen, dass importierter grüner Wasserstoff lokal schlechter abschneidet als fossile Alternativen.
Wie Wasserstoff im Alltag eingesetzt wird — und warum das wichtig ist
Im Alltag trifft man Wasserstoff heute vor allem in Spezialanwendungen: in Brennstoffzellenbussen, vereinzelt bei Stadtwerken als Spitzenlastspeicher oder in Pilotprojekten für Lkw und Züge. Für Pkw bleibt die Zahl der Brennstoffzellenfahrzeuge in Europa überschaubar. Ein Grund ist die Energieeffizienz: Bei identischer Menge erneuerbarer Energie erreicht ein Batterie-Pkw in der Regel mehr Kilometer als ein Brennstoffzellen-Pkw.
Konkrete Beispiele: Ein Brennstoffzellenbus benötigt Wasserstoff, der vor Ort oder in Städten angeliefert wird. Die Lieferkette verursacht Emissionen durch Produktion, Transport und Betankung. Bei schweren Lkw oder in der Schifffahrt kann Wasserstoff dagegen vorteilhaft sein, wenn lange Reichweiten und kurze Betankungszeiten gefordert sind und Batterien wegen Gewicht oder Ladezeit ungeeignet sind.
Entscheidend ist die Frage: Wo ist Wasserstoff das effizienteste Mittel zum Zweck? Studien aus Deutschland und der EU empfehlen, Wasserstoff gezielt dort einzusetzen, wo Elektrifizierung technisch schwer oder teuer ist — etwa in schweren Lasten, Langstreckenflügen oder als Rohstoff in der Industrie. Für kurze Strecken und den urbanen Pkw-Verkehr bleibt aber die Batterie meist die bessere Wahl.
Wichtige Chancen und Risiken für die Klimabilanz
Wasserstoff bietet Chancen, etwa die Nutzung überschüssiger erneuerbarer Energie und die Dekarbonisierung schwerer Industrien. Dabei entstehen aber auch klare Risiken, die die Klimabilanz verschlechtern können.
Ein zentrales Risiko ist die Herkunft des Stroms für Elektrolyseure. Wenn dafür durchschnittlicher Netzstrom verwendet wird, sind die Emissionen deutlich höher als bei direkter Nutzung des Stroms. Fachleute fordern deshalb eine Stunde-für-Stunde‑Bilanzierung (hourly matching) oder Herkunftsnachweise, die einen echten zeitlichen und örtlichen Ausgleich garantieren.
Ein weiteres Problem sind Methan‑Emissionen in der fossilen Lieferkette und die Grenzen von CCS (Carbon Capture and Storage). Bei sogenanntem blauem Wasserstoff wird CO₂ zwar abgeschieden, doch Verluste in der Förderung und weniger als perfekte Abscheideraten können die Ersparnis deutlich reduzieren. Studien warnen, dass reale CCS‑Raten oft hinter den angenommenen Idealwerten zurückbleiben, sodass blaues Wasserstoff‑Konzept nicht automatisch klimafreundlich ist.
Transport und Verluste spielen eine große Rolle: Flüssigwasserstoff- oder Ammoniak-Transporte über weite Strecken können mehrere Kilogramm CO₂‑Äq pro kg H₂ hinzufügen. Auch Leckagen in der Verteilung sind relevant, weil Wasserstoff selbst klimawirksam sein kann. Deshalb sinkt der Klimavorteil, wenn H₂ importiert oder viele Zwischenschritte nötig sind.
Positiv ist: Bei lokal erzeugtem H₂ aus wirklich erneuerbarem Strom ohne lange Transportwege kann die Bilanz sehr gut werden — vor allem in Anwendungen, die hohe Energiedichte oder schnelles Betanken brauchen. Insofern ist die richtige Anwendung das Entscheidende, nicht das Technologieversprechen allein.
Wohin die Entwicklung führen kann
Mehrere Szenarien zeichnen mögliche Pfade: In einem Pfad wird Wasserstoff streng auf Sektoren mit wenigen Alternativen konzentriert — Industrie, Langstrecke See/Luft, regionale Reserve. In einem anderen Pfad wird Wasserstoff breit gefördert, auch für Pkw und Kurzstrecken, was hohe Nachfrage und Importabhängigkeit erzeugt. Letzteres erhöht das Risiko schlechter Klimabilanzen.
Politik und Regulierung sind hier Hebel: Anforderungen an Herkunftsnachweise, dynamische CO₂‑Schwellenwerte und strikte Regeln für CCS können sicherstellen, dass nur tatsächlich klimafreundlicher Wasserstoff gefördert wird. Die EU arbeitet an entsprechenden Vorgaben; Expertinnen und Experten empfehlen außerdem, Opportunitätskosten zu beachten — also zu prüfen, ob die erneuerbare Energie an anderer Stelle größere Emissionsreduktionen bringen würde.
Für Beschäftigte, Unternehmen und Kommunen bedeutet das: Investitionen in H₂‑Infrastruktur sollten zielgerichtet erfolgen. Projekte, die auf lokalen, sehr sauberen Stromquellen basieren oder dort, wo Elektrifizierung technisch nicht praktikabel ist, haben die besten Aussichten, langfristig eine gute Klimabilanz zu liefern.
Fazit
Wasserstoff im Verkehr ist kein per se klimafreundlicher Ersatz für fossile Treibstoffe. Seine Klimawirkung hängt stark von der Produktion, dem Transport und den Verlusten in der Kette ab. Lokal erzeugter, wirklich erneuerbarer Wasserstoff kann sinnvoll sein — besonders dort, wo Batterien an ihre Grenzen stoßen. Häufig ist jedoch die direkte Elektrifizierung effizienter und klimafreundlicher. Entscheidend sind klare Regeln zur Herkunft, transparenter Nachweis des verwendeten Stroms und die Priorisierung von Anwendungen, in denen Wasserstoff echte Vorteile bringt.
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