Wasserstoff im Verkehr Klimabilanz bleibt in vielen Studien hinter Erwartungen zurück: Die Produktion, Verflüssigung und der Transport fressen viel Energie, sodass Treibhausgasvorteile oft schrumpfen oder ganz verschwinden. Dieser Text erklärt, wo genau die Verluste entstehen, welche Zahlen Forscher nennen und warum Batteriefahrzeuge in vielen Fällen deutlich effizienter sind. Leserinnen und Leser erhalten praktische Orientierung, wann Wasserstoff tatsächlich sinnvoll ist und welche politischen Stellschrauben die Klimabilanz verbessern können.
Einleitung
Viele, die sich mit Mobilität beschäftigen, hören ein einfaches Versprechen: Wasserstoff könne Fahrzeuge klimaneutral antreiben. In der Praxis zeigt sich jedoch häufig ein anderes Bild. Entscheidend ist nicht nur, ob Wasserstoff eingesetzt wird, sondern wie er erzeugt, transportiert und in Fahrzeugen wieder in Vortriebsenergie umgewandelt wird. Genau an diesen Stellen gehen Effizienz und CO2‑Bilanz oft verloren.
Die Debatte betrifft sowohl privaten als auch gewerblichen Verkehr: Für eine Person, die ein E‑Auto in der Stadt nutzt, ist die Antwort eine andere als für einen Frachtlogistiker mit Fernstrecken. Dieser Text beschreibt die technischen Zusammenhänge verständlich, nennt belastbare Zahlen aus aktuellen Studien und macht deutlich, unter welchen Bedingungen Wasserstoff klimafreundlich sein kann — oder nicht.
Wasserstoff im Verkehr: Klimabilanz und Grundlagen
Wasserstoff ist ein Energieträger, kein Primärenergieträger. Das heißt: Er muss hergestellt werden — etwa durch Dampfreformierung von Erdgas (mit oder ohne CO2‑Abscheidung) oder durch Elektrolyse, bei der Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Entscheidend für die Klimabilanz ist die Herkunft des Stroms für die Elektrolyse und die Verluste entlang der gesamten Kette bis zum Rad des Fahrzeugs.
Internationale Analysen zeigen erhebliche Unterschiede. Für Wasserstoff aus fossilen Quellen ohne Abscheidung nennt die IEA typische Werte um ~10 kg CO2‑Äquivalent pro kg Wasserstoff. Elektrolyse kann diese Zahl drastisch senken, wenn der Strom sehr günstig und erneuerbar ist; in sehr guten Fällen liegen die Emissionen unter 1 kg CO2‑Äquivalent pro kg Wasserstoff (IEA, 2024).
Die CO2‑Bilanz hängt stärker von der Erzeugung und den Transportwegen ab als von der Nutzung im Fahrzeug.
Für die Alltagsentscheidung hilft ein Blick auf die Effizienz: Studien des Umweltbundesamts zeigen, dass ein Brennstoffzellenfahrzeug (FCEV) in der Kette Strom→Wasserstoff→Fahrzeug deutlich weniger der eingesetzten Energie als Vortriebsenergie nutzt als ein batterieelektrisches Fahrzeug (BEV). UBA‑Analysen geben Werte von rund 28 % Wirkungsgrad für FCEV gegenüber etwa 62 % für BEV an — diese Zahlen stammen aus einer Studieserie, die ältere Daten (2022) enthält und daher als älter als zwei Jahre gekennzeichnet wird.
Eine kompakte Tabelle zeigt die typische Größenordnung dieser Unterschiede:
| System | Typischer WtW‑Wirkungsgrad | Bemerkung |
|---|---|---|
| Batterieelektrisch (BEV) | ~62 % | Strom direkt ins Fahrzeug, verlustarm |
| Brennstoffzelle (FCEV) | ~28 % | Elektrolyse, Speicherung, BZ‑Verluste |
| Diesel/konventionell | ~20–25 % | Verbrennung mit hohen thermischen Verlusten |
Die Zahlen geben Bereiche wieder, keine Absolutwerte: Sie hängen vom Strommix, der Transportdistanz und der verwendeten Technologie ab. Für politische Entscheidungen sind genau diese Abhängigkeiten relevant.
Wie Wasserstoff im Alltag und in der Logistik genutzt wird
In der Praxis taucht Wasserstoff heute in mehreren Bereichen auf: als Einsatzstoff in der Industrie, als Energieträger für Schiffe, Flugprototypen und im Schwerlastverkehr sowie als Kraftstoff für einzelne Pkw‑Modelle mit Brennstoffzelle. Jede dieser Anwendungen stellt unterschiedliche Anforderungen an Reichweite, Tankzeiten und Infrastruktur.
Für innerstädtische Mobilität sind BEV meist die naheliegende Lösung: kurze Wege, gute Lademöglichkeiten und hohe Effizienz. Bei langen Strecken und wenigen Tankstopps kann Wasserstoff Vorteile haben, weil Tankzeiten kurz und Energiedichte pro Volumen höher sind als bei Batterien. Bei schweren Lkw, Schiffen oder Flugzeugen zählt neben der Energiedichte auch das Gewicht: Hier sind Batterien technisch möglich, aber die Masse wird schnell zum limitierenden Faktor.
Konkrete Beispiele: Einige Logistikunternehmen testen Brennstoffzellen‑Lkw für lange Routen, während Flotten in urbaner Zustellung zunehmend auf große Batteriefahrzeuge und Schnelllader setzen. In der Schifffahrt werden Projekte mit grünem Ammoniak als Wasserstoffträger geprüft; für die Luftfahrt sind e‑Kerosine aus PtX‑Verfahren ein Weg, deren Herstellung aber sehr energieintensiv ist.
Wichtig für die Klimabilanz ist die gesamte Kette: Ein Lkw, der mit importiertem, verflüssigtem Wasserstoff betankt wird, trägt die Emissionen der Erzeugung, Verflüssigung, Schifffahrt und Rekonversion. Diese Schritte können die anfängliche Klimavorteile schnell aufzehren.
Wo die Klimabilanz leidet: konkrete Verlustpunkte
Die Klimabilanz verschlechtert sich in mehreren, technisch klar identifizierbaren Schritten:
- Erzeugung: Wird Wasserstoff aus Erdgas ohne wirksame CO2‑Abscheidung hergestellt, entstehen hohe Emissionen (IEA: rund 10 kg CO2‑Äq/kg H2). Das eliminiert einen möglichen Klimavorteil sofort.
- Elektrolyse und Strommix: Elektrolyse braucht viel Strom. Nutzt sie Strom aus einem kohlenstoffreichen Netz, sind die Emissionen hoch. Nur bei sehr sauberem erneuerbaren Strom sinken die Emissionen auf unter 1 kg CO2‑Äq/kg H2 (IEA, 2024).
- Verarbeitung und Transport: Verflüssigen, Kühlen, Komprimieren und der Transport (per Schiff oder Pipeline) verursachen zusätzliche Energieverluste und Emissionen. Studien nennen hier typischerweise 0,5 bis 3 kg CO2‑Äq/kg H2 extra, je nach Entfernung und Trägermedium.
- Umwandlung im Fahrzeug: Brennstoffzelle und elektrische Zusatzsysteme wandeln nur einen Teil der chemischen Energie in Vortrieb um. Das Ergebnis ist der bereits erwähnte niedrige WtW‑Wirkungsgrad gegenüber BEV.
- Infrastruktur und Baustoffe: Bau von Tankstellen, Elektrolyseuren und Pipelines erzeugt zusätzlich CO2; diese Herstellungsemissionen werden oft erst über lange Zeiträume ausgeglichen.
Aus diesen Gründen kommen seriöse Institutionen wie das Umweltbundesamt zu dem Schluss, dass Batteriefahrzeuge für Pkw und viele Lkw‑Anwendungsfälle in den meisten Szenarien die bessere Klimawahl sind. Die UBA‑Ergebnisse stammen größtenteils aus Veröffentlichungen von 2022–2024; bestimmte Datensätze sind älter als zwei Jahre und werden im Text entsprechend gekennzeichnet.
Ein weiterer praktischer Punkt: Zertifizierung und Transparenz fehlen noch. Ohne verlässliche Angaben zur Herkunft des Wasserstoffs lässt sich seine Klimawirkung kaum vergleichen. Die IEA empfiehlt daher einheitliche Standards für Lebenszyklus‑basiertes Reporting.
Was in den nächsten Jahren zählt
Die Klimabilanz von Wasserstoff kann sich verbessern — aber das ist kein Automatismus. Drei Entwicklungen sind entscheidend:
Erstens: Der Ausbau erneuerbarer Energien. Elektrolyseure liefern nur dann wirklich „grünen“ Wasserstoff, wenn sie mit zusätzlichem sauberem Strom betrieben werden. Andernfalls verdrängen sie erneuerbaren Strom aus anderen Anwendungen und verschlechtern die Bilanz.
Zweitens: Effizienzfokus bei der Verwendung. Direktelektrifizierung (BEV) ist häufig die sparsamere Lösung. Wasserstoff sollte dort eingesetzt werden, wo elektrische Batterien praktisch oder wirtschaftlich nicht gut funktionieren — zum Beispiel Fernlkw mit hoher Tageskilometerleistung, bestimmte Schiffssegmente oder Sektoren mit hohen Energiedichten wie Teile der Luftfahrt.
Drittens: Transparente Zertifizierung und kluge Politik. Nur mit klaren CO2‑Standards, verlässlicher Messung entlang der Wertschöpfungskette und klaren Prioritäten für Industrieanwendungen lässt sich vermeiden, dass knappe erneuerbare Ressourcen für ineffiziente Verkehrsformen gebunden werden. Die IEA betont zudem, dass viele angekündigte Projekte noch in frühen Phasen sind; ohne Investitionsentscheidungen und Zertifikate bleiben Effekte begrenzt.
Konkrete politische Hebel könnten sein: Förderungen für direkt elektrifizierbare Flotten, Förderrahmen für grüne Wasserstoffproduktion an den richtigen Orten, sowie Quoten oder Zertifikate, die echte Herkunftsnachweise verlangen. Für Flottenbetreiber bedeutet das: Erst prüfen, ob elektrischer Antrieb möglich ist; erst dann Wasserstoff als Lösung erwägen.
Fazit
Wasserstoff hat das Potenzial, in speziellen Verkehrssegmenten einen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten. In vielen alltäglichen Mobilitätsfällen ist seine Klimabilanz jedoch schlechter als die von batterieelektrischen Lösungen. Ursachen sind die energieintensive Erzeugung und Verluste beim Transport und der Rückverwandlung in elektrische Energie. Entscheidend ist, dass politische Entscheidungen und Investitionen auf klaren Lebenszyklus‑Analysen und verlässlicher Herkunftsprüfung beruhen. Nur so lässt sich erneuerbarer Strom effizient einsetzen und Wasserstoff dort nutzen, wo er echten Mehrwert bringt.
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