Auf den ersten Blick wirkt es widersprüchlich: Erneuerbare Energie wird günstiger, aber die Stromrechnung bleibt hoch. “Strompreis erklären” hilft zu verstehen, warum das so ist. Der Preis für Haushaltsstrom besteht aus mehreren Teilen: Großhandel, Netzentgelte, Steuern und Umlagen. Manche dieser Komponenten fallen, andere steigen – etwa wegen Netzausbau, Umlageverteilungen oder neuen Abgaben. Wer die Mechanik kennt, kann besser vergleichen, gezielt sparen und politische Entscheidungen einordnen.
Einleitung
Wenn das Smartphone geladen wird, merkt man nicht, wie viele getrennte Kosten dahinterstecken. Für die Rechnung zu Hause zählen nicht nur die Kilowattstunden, die das Kraftwerk liefert. Es spielen der Einkauf auf dem Strommarkt, die Kosten für Übertragungs- und Verteilnetze, staatliche Abgaben und einzelne Umlagen eine Rolle. In den letzten Jahren fielen die reinen Erzeugungskosten in manchen Stunden deutlich, weil Wind und Sonne viel Strom lieferten. Trotzdem sind andere Posten nicht automatisch gesunken. Manche Regeln sorgen sogar dafür, dass günstige Erzeugung lokal entlastet wird, die Kosten aber bundesweit verteilt bleiben. Das erklärt, warum der Eindruck entstehen kann: Erzeugung billiger, Rechnung trotzdem hoch.
Strompreis erklären: Woraus setzt er sich zusammen?
Eine Haushaltsrechnung enthält typischerweise drei große Blöcke: Beschaffung und Vertrieb (das, was der Anbieter auf dem Großhandelsmarkt zahlt plus seine Marge), Netzentgelte (Gebühren für Transport und Netzbetrieb) sowie Steuern und Abgaben (zum Beispiel Stromsteuer und Mehrwertsteuer). Seit 2023 ist die EEG‑Umlage nicht mehr in der Rechnung, sie wird größtenteils aus dem Bundeshaushalt finanziert. Trotzdem bleiben Steuern und Umlagen ein erheblicher Anteil.
In vielen Fällen entscheidet nicht der Energiepreis allein, wie hoch die Endrechnung wird, sondern die Verteilung der Kosten zwischen Netz, Beschaffung und Abgaben.
Typische Anteile (vereinfacht, gerundet): Beschaffung etwa 40 %, Netzentgelte rund 28 %, Steuern und Abgaben circa 32 %. In konkreten Zahlen entspricht das 2025 für einen durchschnittlichen Haushalt ungefähr einem Gesamtpreis um 40 ct/kWh, wobei Beschaffung rund 16 ct/kWh und Netzentgelte etwa 11 ct/kWh ausmachen. Diese Werte variieren regional und nach Verbrauchsprofil.
Die Tabelle unten zeigt zwei zentrale Posten als Beispiel. Sie dient der Orientierung; genaue Zahlen stehen auf den Abrechnungen Ihres Anbieters.
| Merkmal | Beschreibung | Wert |
|---|---|---|
| Beschaffung/Vertrieb | Einkauf am Großhandelsmarkt plus Lieferantenmarge | ~16 ct/kWh |
| Netzentgelte und Abgaben | Transport, Betrieb der Netze, Steuern und Umlagen (bundesweit verteilt) | ~24 ct/kWh |
Kurz: Wer nur auf den Erzeugungsmix schaut, verpasst wichtige Kostenbestandteile. Ein niedriger Großhandelspreis reduziert den ersten Block; Netzentgelte oder neu eingeführte Ausgleichsmechanismen können aber dafür sorgen, dass die Summe trotzdem stagniert oder steigt.
Wie sich Großhandel und Wetter auf Ihre Rechnung auswirken
Der Großhandelspreis entsteht an Börsen wie der EEX in Leipzig. Dort werden stündlich Angebote und Nachfragen zusammengeführt. Wenn viel Wind oder Sonne erzeugt wird, drückt dieses Angebot häufig kurzfristig den Preis – das nennt man Merit‑Order‑Effekt. In Jahren mit starker Photovoltaik‑ oder Windproduktion traten sogar Stunden mit sehr niedrigen oder negativen Preisen auf.
Allerdings sind Großhandelspreise volatil. Faktoren wie Gaspreise, der CO₂‑Preis im Emissionshandel und Wetterlagen für Dunkelflauten (lange windstille Phasen im Winter) können Preise schnell wieder in die Höhe treiben. Für 2024/2025 lagen typische Day‑Ahead‑Preise im Bereich von rund 80 €/MWh; das entspricht etwa 8 ct/kWh im reinen Energieanteil, variiert aber stark mit der Stunde.
Für Haushalte gilt: Anbieter glätten diese Schwankungen über langfristige Verträge oder Preisklauseln. Wenn ein Anbieter niedrige Einkaufspreise an kurzfristige Endkunden weitergibt, profitieren Verbraucher direkt. Häufig sind die Effekte aber auf den Beschaffungsanteil begrenzt, weil Netzentgelte und Abgaben daneben bestehen.
Ein einfaches Beispiel: In einem sonnigen Sommer sinken die Tagpreise stark, was die Kosten für die Beschaffung drückt. Sinkt dadurch der Anteil der Beschaffung um ein paar Cent, können gleichzeitig Netzentgelte oder ein neuer Aufschlag diese Einsparung ganz oder teilweise ausgleichen. Deshalb fühlt sich die Rechnungsreduktion im Portemonnaie oft kleiner an als die Veränderung an der Börse.
Warum Netzentgelte und Umlagen oft steigen
Netzentgelte decken Kosten für Bau, Betrieb und Wartung von Übertragungs‑ und Verteilnetzen. Mit dem Ausbau von Windparks auf See, dem Zubau großer Solarparks und der steigenden Elektrifizierung (Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen) wachsen die Anforderungen an die Netze. Das bedeutet: Investitionen, die finanziert werden müssen.
Zudem können politische Entscheidungen die Verteilung der Kosten verändern. In den letzten Jahren wurden Mechanismen eingeführt, die Regionen mit viel erneuerbarer Erzeugung entlasten und die Kosten auf das gesamte Netz umlegen. Ein Beispiel ist ein zentraler Aufschlag zur Entlastung bestimmter Netzgebiete; solche Wälzungsmechanismen führten 2025 zu einem bundesweiten Aufschlag von rund 1,56 ct/kWh für viele Verbrauchsgruppen, während Netzentgelte in EE‑reichen Regionen deutlich sanken.
Weitere Bestandteile sind die Offshore‑Netzumlage für die Anbindung von Windparks auf See sowie Konzessionsabgaben, die Gemeinden erheben. Diese Posten sind nicht direkt mit dem aktuellen Börsenpreis verbunden und können deshalb steigen, selbst wenn die Erzeugung günstiger wird. Ein anderes Thema ist Redispatch: Wenn Kraftwerke zur Netzstabilität umgeplant werden müssen, entstehen zusätzliche Kosten, die in die Netzentgelte einfließen können.
Das Ergebnis: Investitionen und Umverteilungen sorgen dafür, dass die verbliebenen, unmittelbar sichtbaren Einsparungen bei der reinen Erzeugung nicht automatisch in der Summe der Haushaltstromrechnung ankommen. Deshalb wirkt Strom trotz günstigerer Erzeugung oft nicht billiger.
Welche Entwicklungen die Kosten künftig prägen könnten
Blickt man nach vorn, zeigen sich drei zentrale Treiber: Ausbau der Erneuerbaren, Netz‑ und Speicherinvestitionen sowie Regelungen im EU‑Emissionshandel. Mehr erneuerbare Leistung kann langfristig die Basispreise drücken, gleichzeitig erfordern Stromsysteme mit hohem EE‑Anteil mehr Flexibilität – und die kostet zunächst Geld.
Speicher wie große Batteriesysteme und Pumpspeicher reduzieren Preisspitzen und können negative Preise abmildern. Das senkt Volatilität, kostet aber Kapital. Wenn Speicherpreise fallen, wird sich dieser Effekt stärker bemerkbar machen. Auch intelligente Steuerung von Verbrauchern (dynamische Tarife, Haushaltsgeräte, Ladezeiten) kann Lastspitzen glätten und bei dynamischer Preisweitergabe zu niedrigeren Rechnungen führen.
Der CO₂‑Preis bleibt ein zentraler Unbekannter: Steigt er deutlich, verteuern sich fossile Erzeugungsarten und damit auch kurzfristig die Großhandelspreise. Sinkt oder stabilisiert er sich, profitieren Erneuerbare stärker. Politische Entscheidungen über Umlagen und deren Verteilungsregeln bestimmen darüber hinaus, wer die Kosten trägt: regionale Erzeuger, Netzbetreiber, Unternehmen oder Verbraucher.
Für Verbraucher heißt das: In der nächsten Dekade wird die Rechnung nicht allein von der Erzeugung ausgehen. Wer die Mechanik kennt, kann bei Tarifwahl, Verbrauchsverhalten und beim Verständnis politischer Debatten bessere Entscheidungen treffen.
Fazit
Günstigere Erzeugung durch Wind und Sonne hat den Strommarkt verändert, aber sie wirkt nicht eins zu eins auf die Endrechnung. Großhandelspreise können stark schwanken und sind nur ein Teil der Summe. Netzausbau, Umlagen, lokale Entlastungsmechanismen und staatliche Abgaben bestimmen zusammen mit der Beschaffung den Preis, den Haushalte letztlich zahlen. Verstehen hilft: Ein Blick auf die einzelnen Posten der Rechnung, ein regelmäßiger Tarifvergleich und das Beachten dynamischer Angebote können kurzfristig Einsparungen bringen. Langfristig entscheidet die Balance aus Netzausbau, Speichertechnik und politischen Regeln darüber, ob niedrigere Erzeugungspreise auch dauerhaft spürbar werden.
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