TZG – Technologie Zeitgeist

Aktuell – Interessant – Neu


Riesige Wärmepumpen: Wie Großanlagen Städte und Industrie klimafreundlich heizen


Große Wärmepumpen können ganze Stadtteile und Industrieprozesse mit klimafreundlicher Wärme versorgen. Dieses Abstract zeigt, wie Anlagen mit Dutzenden bis Hunderten Megawatt arbeiten, welche Quellen sie nutzen und welche Effekte auf CO₂‑Bilanz und Strombedarf zu erwarten sind. Beispiele aus Europa – darunter Projekte in Mannheim, Aalborg und ein industrielles Vorhaben in Ludwigshafen – machen deutlich, dass Großanlagen heute technisch machbar sind und politische Rahmenbedingungen sowie Netzplanung für die Skalierung entscheidend bleiben.

Einleitung

Wenn in einer Stadt Fernwärme aus Kohle oder Gas ersetzt werden soll, steht oft eine praktische Frage im Raum: Woher kommt die nötige Wärme, ohne weiter fossiles CO6O freizusetzen? Große Wärmepumpen bieten eine Antwort. Sie entziehen Flüssen, Abwasser, Meer oder industrieller Abwärme Wärme und heben deren Temperatur mit elektrischem Antrieb auf ein Niveau, das Heiznetze oder Produktionsprozesse direkt nutzen können. Das ist nicht abstrakt: Mehrere europäische Projekte planen oder bauen Anlagen mit zweistelligen Megawatt‑Leistungen, die Tausende Haushalte oder Dampferzeugung in Fabriken versorgen sollen.

Für Städte und Unternehmen ändert sich dabei nicht nur die Technik, sondern auch die Infrastruktur: Stromnetze, Bilanzierung von Grünstrom und Planung von Fernwärmenetzen müssen Schritt halten. Die folgenden Kapitel ordnen die Technik, zeigen Praxisbeispiele, beleuchten Chancen und Risiken und geben einen Ausblick darauf, wie sich große Wärmepumpen fachlich in bestehende Systeme einfügen können.

Wie große Wärmepumpen funktionieren

Auf der technischen Ebene arbeiten große Wärmepumpen nach dem gleichen Grundprinzip wie kleine Geräte: Ein niederer Temperaturträger (zum Beispiel Flusswasser oder Abwasser) gibt Wärme an ein Kältemittel ab. Ein Kompressor erhöht Druck und damit die Temperatur dieses Stoffes, sodass im Kondensator Wärme auf das Fernwärmesystem oder einen Produktionsprozess übertragen werden kann. Bei Großanlagen kommen leistungsstarke Schrauben- oder Hubkolbenkompressoren, mehrstufige Verdichter und robuste Wärmetauscher zum Einsatz.

Effizienz ist zwar messbar, aber stark abhängig vom Temperaturunterschied zwischen Quelle und Ziel: je kleiner die Spanne, desto besser die Kennzahl COP.

Die Leistungskennzahl COP (Coefficient of Performance) beschreibt, wieviel nutzbare Wärme eine Wärmepumpe pro eingesetzter elektrischer Leistung liefert. Bei Großanlagen für Fernwärme oder Industrie liegt der realistische COP oft zwischen 2,5 und 4; bei geringem Temperaturhub sind Spitzenwerte möglich, für höhere Abgabetemperaturen sinkt die Effizienz. Technisch möglich sind Anlagen, die Temperaturen bis etwa 140 °C zuverlässig erreichen; darüber wird es aufwendiger und teurer.

Kapazitäten großer Anlagen bewegen sich derzeit im Bereich von einigen Megawatt bis hin zu mehreren hundert Megawatt. Beispiele zeigen unterschiedliche Quellen: Fluss- oder Seewasser, Abwasser, industrielle Abwärme oder geothermische Quellen. Welche Quelle zur Verfügung steht, bestimmt maßgeblich Architektur, Standortwahl und Anschaffungskosten.

Eine kurze Tabelle fasst zentrale Merkmale ausgewählter Projekte zusammen.

Projekt Quelle Kapazität (Therm.) Status / Jahr
Mannheim (Planung) Rheinwasser ~165 MW geplant 2028–2029 (Quelle: BBC, Exergy)
Aalborg (Dänemark) Seewasser Einheiten bis 44 MW, Gesamtprojekte 150–176 MW in Umsetzung, 2027–2028 (Quelle: Energiezukunft)
BASF Ludwigshafen Industrielle Abwärme ~50 MW therm., 15 MW elektrisch Baubeginn 2025, Inbetriebnahme geplant 2027 (Quelle: BASF)

Konkrete Anwendungen in Städten und Industrie

Große Wärmepumpen werden heute hauptsächlich in zwei Feldern geplant: 1) in Fernwärmenetzen zur Versorgung von Stadtvierteln und 2) in der Industrie zur Erzeugung von Prozesswärme oder Dampf. Bei Städten dient oft ein Fluss, das Meer oder Abwasser als Wärmequelle. Das Wasser hat relativ konstante Temperaturen und große Volumen, was stabile Leistung ermöglicht.

Ein praktisches Beispiel ist ein Projekt, das Rheinwasser nutzt, um Teile einer kommunalen Fernwärme zu füttern. Solche Anlagen können mehrere zehn- bis hunderttausend Haushalte unterstützen, indem sie Wärme in ein bestehendes Wärmenetz einspeisen. Der Vorteil gegenüber Einzelhaus-Wärmepumpen liegt in der Skaleneffizienz: Größere Maschinen arbeiten stabiler, Wartung und Betriebsführung lassen sich konzentrieren.

In der Industrie ist das Ziel oft nicht Raumwärme, sondern Dampf für Produktionsprozesse. Hier hat das BASF‑Projekt in Ludwigshafen besondere Bedeutung: Geplant ist eine Anlage mit rund 50 MW thermischer Leistung, die Dampf aus Abwärme erzeugt und so den Einsatz fossiler Brenner stark reduziert. Bei stabiler Versorgung lässt sich so die CO₂‑Bilanz einer Fabrik substanziell verbessern.

Die Integration erfordert stets Abstimmung: Wärmepumpe, Netztemperaturen, Speicher und Stromversorgung müssen zusammen passen. In vielen Projekten ergänzen Wärmespeicher die Anlage, um Spitzen abzufangen und die Anlage mit niedrigerem Temperaturniveau effizient zu betreiben. Außerdem sind langfristige Stromlieferverträge (PPA) mit Ökostrom oft Teil der Wirtschaftlichkeitsrechnung.

Praktische Folge: In Städten mit gutem Zugang zu niedrigen Temperaturquellen lässt sich ein Großprojekt oft schneller wirtschaftlich betreiben als der flächendeckende Umstieg einzelner Haushalte auf rein elektrische Heizung. Für die Industrie gelten ähnliche Überlegungen, ergänzt um Fragen zur Prozesssicherheit und Verfügbarkeit.

Chancen und Spannungsfelder

Große Wärmepumpen bringen klare Vorteile: Sie reduzieren direkte Verbrennungsemissionen, nutzen lokale Abwärme oder erneuerbare Quellen und können bei ausreichend grünem Strom die Klimabilanz deutlich verbessern. Rechnet man COP‑Werte von etwa 3, bedeutet das: Für drei Einheiten Wärme wird eine Einheit Strom benötigt. Je mehr Strom aus erneuerbaren Quellen kommt, desto besser die Klimawirkung.

Gleichzeitig gibt es Spannungsfelder. Erstens: Strombedarf und Netzkapazität. Große Anlagen brauchen kontinuierlich viel Leistung; ohne Netzverstärkung oder intelligente Laststeuerung könnten sie Engpässe verursachen. Zweitens: Wirtschaftlichkeit. Hohe Investitionskosten erfordern oft Förderungen oder lange Vertragslaufzeiten mit Wärmenetzbetreibern. Drittens: Ressourcen und Genehmigungen. Das Nutzen von Fluss- oder Seewasser ist ökologisch sensibel und erfordert Wasserrecht, Kühlwasser‑ und Umweltschutzabklärungen.

Ein weiteres Thema ist die Bezeichnung “größte Wärmepumpe”: Solche Superlative sind oft abhängig von Messgröße (thermische Leistung vs. elektrische Leistung) und Kontext. Ein industrielles System mit 50 MW thermisch und 15 MW elektrisch kann in seinen Effekten sehr bedeutend sein, während ein anderes Projekt mit mehreren kleineren Einheiten ähnlich viel Wärme liefert.

Schließlich ist die Prognosesicherheit begrenzt: Viele Projekte sind geplant und abhängig von Bauzeiten, Förderentscheidungen und Lieferketten. Gleichzeitig zeigen Studien der EU‑Forschungsstelle JRC und Branchenberichte: Das Potenzial ist groß, wenn Strompolitik, Ausbildung von Fachkräften und Maschinenlieferketten mitwachsen.

Blick nach vorn: Wege zur Skalierung

Damit Wärmepumpen im Großmaßstab wirken, müssen drei Ebenen zusammenspielen: Technologie, Marktpolitik und Netzinfrastruktur. Technisch sind viele Komponenten einsatzbereit; Schraubenkompressoren, mehrstufige Systeme und großdimensionierte Wärmetauscher sind verfügbar. An der Marktseite sind klarere Förderregeln und langfristige Abnahmeverträge für Wärme wichtig. Politische Instrumente können Investitionsrisiken senken und erlauben größere Projekte schneller.

Netzseitig geht es um zwei Dinge: ausreichend elektrische Leistung und Flexibilität im Wärmenetz. Lastmanagement, Wärmespeicher und zeitvariable Strompreise können den Bedarf glätten. Parallel sollten Behörden bei Genehmigungen und Umweltprüfungen standardisierte Verfahren anbieten, damit Projekte nicht durch lange Verwaltungszeiten verzögert werden.

Aus Sicht der Industrie ist wichtig, dass Wärmepumpen entlang bestehender Prozesse geplant werden: Dort, wo Abwärme anfällt, ist die Integration oft wirtschaftlich attraktiv. Für Städte lohnt sich die frühe Einbindung von Fernwärmeversorgern, Netzbetreibern und Stromnetzplanern. Praktisch können Pilotprojekte als Blaupause dienen, technische und wirtschaftliche Daten liefern und Akzeptanz schaffen.

Wichtig bleibt die Stromherkunft: Wärmepumpen verlagern den CO₂‑Ausstoß in das Stromsystem. Wenn dieser Strom überwiegend aus erneuerbaren Quellen stammt oder direkt per PPA abgesichert ist, verbessert sich die Klimawirkung deutlich. Andernfalls kann die CO₂‑Einsparung kleiner ausfallen als erwartet.

Fazit

Große Wärmepumpen sind technisch etabliert und bieten für Städte wie für Industrie eine praktikable Möglichkeit, fossile Wärmequellen zu ersetzen. Sie wirtschaften mit lokalen Wärmequellen, bringen bei ausreichender Ökostromversorgung deutliche Einsparungen bei CO₂‑Emissionen und passen in vielfältige Anwendungen von Fernwärme bis Dampfproduktion. Die Hauptfragen sind heute nicht mehr allein die Technik, sondern die Abstimmung von Stromnetz, Förderpolitik und Regulierung. Erfolg hängt davon ab, ob Planung, Finanzierung und Netzausbau parallel vorankommen.


Diskutieren Sie gerne Ihre Einschätzung und teilen Sie den Artikel, wenn Sie ihn nützlich finden.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Avatar von Artisan Baumeister

→ Weitere Artikel des Autors

Newsletter

Einmal pro Woche die wichtigsten Tech- und Wirtschafts-Takeaways.

Kurz, kuratiert, ohne Bullshit. Perfekt für den Wochenstart.

Hinweis: Lege eine Seite /newsletter mit dem Embed deines Providers an, damit der Button greift.