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Nachhaltiger Flugkraftstoff: Warum Ausbau und Quoten schwerfallen



Sustainable Aviation Fuel (SAF) gewinnt als Hebel für klimafreundliches Fliegen an Bedeutung, doch Produktion, Kosten und Zertifizierung bremsen den Ausbau. Der Text nennt die zentralen Hemmnisse, zeigt, warum EU-Quoten wie ReFuelEU (2 % ab 2025, 6 % ab 2030) nicht automatisch zu mehr SAF führen und ordnet Chancen für Skalierung und Politik ein. Leserinnen und Leser erhalten klare, praxisnahe Einordnungen zu Kosten, Rohstoffen und technischen Abläufen, die langfristig relevant bleiben.

Einleitung

Fliegen belastet das Klima, und Sustainable Aviation Fuel ist eine von wenigen Optionen, die sofort in bestehenden Flugzeugen genutzt werden kann. Gleichzeitig sind Treibstoffpreise, Verfügbarkeit und regulatorische Vorgaben dafür verantwortlich, dass Flughäfen und Airlines nur zögerlich auf höhere Anteile umschalten. Diese Lücke ist nicht nur technisch: Sie entsteht an der Schnittstelle von Rohstoffmärkten, Investitionskosten und Prüfverfahren. Für Passagiere bleibt das meiste unsichtbar: Beim Check‑in merkt niemand, ob ein Anteil SAF im Kerosin steckt. Für Politik und Industrie aber ist die Frage akut, wie man eine knappe, teure Ressource so skaliert, dass sie wirksam CO2 reduziert, ohne unverhältnismäßige Zusatzkosten zu verursachen.

Was ist Sustainable Aviation Fuel (SAF)?

Der Begriff beschreibt Kraftstoffe, die fossiles Kerosin ersetzen und grundsätzlich geringere Treibhausgas‑Emissionen über ihren Lebenszyklus verursachen. Typische Produktionspfade sind HEFA (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids), ATJ (Alcohol‑to‑Jet) und Power‑to‑Liquid (PtL). HEFA nutzt vor allem Abfall‑ oder Restöle, ATJ wandelt Biokohlenstoff um und PtL erzeugt flüssige Kohlenwasserstoffe aus erneuerbarem Strom und CO2.

SAF ist kein einzelner Stoff, sondern eine Gruppe technisch zertifizierter Kraftstoffe mit unterschiedlicher Klimawirkung und unterschiedlichen Kosten.

Wichtig ist die Lebenszyklusrechnung: Sie umfasst Rohstoffgewinnung, Verarbeitung, Transport und Verbrennung. Viele Regelwerke setzen daher Mindestanforderungen an die Gesamtreduktion der Treibhausgas‑Emissionen. ReFuelEU etwa verlangt, dass eingesetzte Kraftstoffe deutliche CO2‑Vorteile erzielen.

Eine kurze Tabelle hilft beim Vergleich:

Pfad Typischer Rohstoff Erwartete GHG‑Reduktion
HEFA Used Cooking Oil, Tierische Fette ~70–85 %
ATJ Bioethanol, Biomasse 60–80 %
PtL (e‑Fuels) Wasserstoff aus erneuerbarem Strom + CO2 ~80–95 %

Wie kommt SAF in die Tankflotte: Praxis und Beispiele

In der Praxis läuft die SAF‑Nutzung auf zwei Wegen: physisches Beimischen am Flughafen und ein sogenanntes Book‑and‑Claim‑System. Beim Mischen wird ein Prozentsatz SAF direkt dem Jet‑Fuel beigemischt und vertrieben. Das ist technisch simpel, stößt aber an logistische Grenzen, weil SAF heute selten und teuer ist.

Book‑and‑Claim erlaubt, dass ein Hersteller SAF produziert und den Klimavorteil digital einem Flug zuweist, auch wenn das physische SAF an einem anderen Ort verbrannt wurde. Das löst Logistikprobleme und beschleunigt Nachfrage, setzt aber voraus, dass Zertifizierung und Nachverfolgbarkeit strikt sind.

Airlines haben beide Wege genutzt: Einige kaufen kleine Mengen direkt für bestimmte Flüge, andere buchen Book‑and‑Claim‑Credits zur Erfüllung von CORSIA‑ oder nationalen Vorgaben. Für Flughäfen ist relevant, ob lokale Tankanlagen Mischungen handhaben können; das kann Umbauten nötig machen, die Zeit und Geld kosten.

Warum SAF teuer und knapp bleibt

Drei Faktoren dominieren: Rohstoffe, Investitionskosten und Zertifizierung. Viele SAF‑Kontingente basieren auf Used Cooking Oil (UCO) oder ähnlichen Abfallströmen. Diese Rohstoffe sind global begrenzt und konkurrieren mit Biodieselmärkten. Marktberichte zeigen, dass UCO‑Preise in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind; das treibt die Produktionskosten von HEFA‑SAF nach oben. Die wichtigste Quelle zur Kostenstruktur bleibt eine Analyse des ICCT aus 2023; diese Studie ist älter als zwei Jahre, bleibt aber wegen ihrer Modellierung relevant für die Einordnung aktueller Kosten.

Außerdem sind Anlagen zur SAF‑Produktion kapitalintensiv: Baukosten liegen oft im dreistelligen Millionenbereich. PtL‑Anlagen brauchen zusätzlichen Strom aus erneuerbaren Quellen, was die Kosten weiter steigert. Die Folge: SAF kostet heute mehrere Male so viel wie fossiles Kerosin, je nach Pfad und Rohstoff oft das Zwei‑ bis Achtfache. Das ist eine klare wirtschaftliche Barriere, solange keine umfassenden Subventionen, CO2‑Preise oder Offtake‑Garantieverträge die Differenz schließen.

Hinzu kommen Zertifizierungs- und Nachweisverfahren. ReFuelEU legt Quoten fest (z. B. 2 % ab 2025, 6 % ab 2030), aber die Regeln verlangen geprüfte Lebenszyklusberechnungen und teilweise Submandate für bestimmte Pfade. Das schafft Planungsaufwand und Rechtsunsicherheit für Produzenten und Lieferanten.

Wie Quoten, Politik und Technik zusammenspielen

Quoten wie ReFuelEU setzen Nachfrage voraus, aber Nachfrage allein löst nicht sofort Versorgungslücken. Die Regelung verpflichtet vor allem Treibstofflieferanten, nachzuweisen, dass gelieferter Kraftstoff einen bestimmten SAF‑Anteil erreicht. Praktisch bedeutet das für 2025 eine erste Verpflichtung von 2 %. Das ist symbolisch wichtig, erzeugt aber nur begrenzte zusätzliche Nachfrage im Verhältnis zum gesamten Jet‑Fuel‑Markt.

Langfristig sind drei Hebel entscheidend: Investitions‑ und Produktionsanreize (z. B. garantierte Abnahmepreise oder Steuererleichterungen), Diversifizierung der Feedstocks (weniger Fokus auf UCO) und Ausbau von PtL‑Technologien. Politische Instrumente wie Zuschüsse, CO2‑Preise und staatliche Garantien senken Investitionsrisiken. Gleichzeitig sind internationale Mechanismen wie Book‑and‑Claim praktisch, um knappe Produktion weltweit zu verteilen.

Für die nächsten Jahre bleibt eine Mischung aus importierten SAF‑Mengen und in‑region Look‑to‑Scale wahrscheinlich. Importabhängigkeit schafft zusätzliche geopolitische und preisliche Unsicherheit. Werden gleichzeitig klare Signale gesetzt — etwa durch langfristige Offtake‑Verträge großer Flughäfen und Airlines —, können Milliardeninvestitionen in neue Anlagen wahrscheinlicher werden.

Fazit

Nachhaltiger Flugkraftstoff bleibt ein zentraler Hebel, um Luftfahrtemissionen zu senken, doch die aktuelle Marktrealität hat mehrere Engpässe: begrenzte Rohstoffe, hohe Produktionskosten und komplexe Zertifizierungsregeln. Quoten wie ReFuelEU schaffen Nachfrage und einen regulatorischen Rahmen, doch ohne parallele Investitions‑ und Förderinstrumente bleiben sie eher ein Motor für Nachfrage als für sofortige Produktion. Kurzfristig werden HEFA‑Produkte auf Abfallölbasis dominieren; mittel‑ bis langfristig sind PtL‑Lösungen nötig, um große Mengen klimafreundlich bereitzustellen. Entscheidend bleibt die Kombination aus klarem Regelwerk, verlässlichen Finanzierungsinstrumenten und Maßnahmen zur Rohstoffdiversifizierung.


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